Mittwoch, 9. Oktober 2019
Kuehne gibt seinen Senf dazu: Freiwillig oder mit Zwang
Freiwillig oder durch Verbote erzwungen, wie sollen Umwelt-Ziele erreicht werden? Mein Statement, dass die Future die Zukunft schlägt (07.10.) zieht die Frage nach sich, wie sie das tut: Geht das freiwillig oder (nur) durch Verbote?

Auftritt Future: Greta aus Schweden mit dem Gestus der Empörung, der Anklage, der Enthaltung. Sie kommt mit dem Boot zur UNO nach Amerika. Sie sagt: Es ist alles falsch daran, dass ich hier sein muss, ich sollte in der Schule sein. Askese, Empörung, Anklage im Dienst des Umweltschutz. So einheitlich, logisch, beinahe organisch, dieser Auftritt, dass man nur schwer auf den Gedanken kommt, Widerstand und Gegenwehr käme ohne diesen Wut-Motor aus.

Zu diesem Auftritt gesellt sich das historische Deja-vue. Alles schon mal gesehen. Busse-Prediger, sich kasteiende Büsser, auferlegte Askese. Ein Deja-vue ist auch der Ausgang der Geschichte: Zerknirschung, kollektive Panik, geschworene Besserung. Langfristiges Umsteuern: eher selten. Die Verhältnisse sind andere. Auch die gelobten Änderungen sind zwar pädagogisch wertvoll aber oft wenig geeignet der Katastrophe Herr zu werden. Eher symbolische Akte sind es, so wie manche Gesetze, die zwar wenig wirksam und angemessen sind, aber: Es musste ja was passieren (siehe: DSGVO, Urheberrecht).

Das Problem: Äusserung und Handlung sind nur schwer in Übereinstimmung zu bringen. Entweder hinkt das Wort der Aktion hinterher oder die Aktion der Einsicht. So ist es auch mit dem Konflikt zwischen Freiwilligkeit oder Zwang. Wer freiwillig sagt, meint oft: zu teuer. Wer Verbot sagt, meint oft: von oben zentral durchgesetzt. Im 1. Fall weisen Argument und dahinterstehendes Gegenargument zwei verschiedene Qualitäten auf. Die moralisch-ethische Haltung steht dem Kommerz gegenüber. Im 2. Fall ist die Annahme nicht zu halten, dass zentralistisches Durchregieren wirksamer sei als föderalistische Langsamkeit, die übrigens auch ein Moment des „Von-Unten“ enthält.

Die Umweltproblematik braucht einen neuen Mix: Dezentral, von unten, und partiell von oben. Möglichst freiwillig, punktuell aber per Zwang, wo es ums Allgemeinprinzip geht. Denn: Jeder hat Umwelt. Das Deligieren an ein Kollektiv hat Grenzen. Gebraucht wird die Einsicht vieler, dass das, was bisher war, nur sehr eingeschränkt Leben war und Leben jetzt recht eigentlich erst beginnt. Gebraucht wird das Blühen der 1000 Blumen, nicht um sie auszureissen, sondern um sie leben zu lassen. Es braucht eine andere Haltung auch sich selbst gegenüber. Denn Leben ist unkontrollierbar, unbeherrschbar. Wir leben in einer Umwelt aber wir sind auch Umwelt.

Auf High Tech folgt High Creativity. Gewiss Askese ist dabei, aber es ist die Askese des Sportlers, nicht die des Mönches. Leitmotiv ist die Lebenslust. Nicht zu vergessen: Gutes Leben, soll für die meisten Weltbürger erst noch kommen.

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Montag, 7. Oktober 2019
Kühne gibt seinen Senf dazu: Next Level.
Ob beim Fitness-center, in der Ernährung, der Beratung: Der Next Level (der nächste Schritt) ist in vieler Munde.

Nach der „Letztbesteigung“ (s.o.) wieder ein Wort, mit dem man den Rückwärtsgang einlegen kann. Erstmal sieht man ihm das nicht an. Da ist die Geschmacksprobe fällig: Es gibt „Next Level Hack“ aus dem Discount-Hause Lidl. Der Inhalt ist Weizen, Soja, Erbsen, alles, nur kein Fleisch.

Warum „Next Level“? Ich seh die Werber schwitzen: Alles, was nach Kunst und Veggie klingt oder schmeckt, musste raus aus dem Namen. Bei sowenig Geschmack bleibt nur die Flucht nach vorn. Aufs nächste Level.

Aber ob der Next Level auch wirklich ein Next Level ist? Ob man mit Weizen, Soja, Erbsen wirklich den Gipfel der Fleischeslust erklimmt? Sieht eher nach einem Side Step aus, der Next Level. Die Enttäuschung in Sachen Zukunft kann man schmecken, dieser Next Level schmeckt nach Enttäuschung. Dieser Next Level ist ein Schritt woanders hin.

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Kuehne gibt seinen Senf dazu: Future statt Zukunft
Fridays for Future schlägt Digitale Zukunft.

Umwelt nennt man heutzutage das, was wir früher moralisch und ethisch begründeten: Umwelt heisst Welt heisst Leben.

Umweltrelevante Entscheidungen, ob umweltfreundlich oder umweltschädlich, werden heute getroffen bevor Entscheidungen fallen über Effizienz, Schnelligkeit, Preis der Digitalisierung.

Umwelt vereint als Wert unsere höchsten Werte, liegt allerdings zum grossen Teil außerhalb unserer Existenz. Auch, wenn durch unser Handeln Umwelt, Welt, Leben geschützt wird. Dabei vereint Umwelt in hohem Masse analoge Qualitäten. Ist das Wasser sauber? Macht das Klima krank? Was wächst auf diesem Boden? Natürlich, nicht alles ist analog fassbar. Wie bei der Atomkraft entzieht sich auch bei der Umwelt vieles der Anschauung. Aber der Mensch bleibt die letzte Instanz.

Digitalsierung konstruiert eine Welt, die weitere Entscheidungen über das, was und wie digitalisiert wird, nach sich zieht. Sorry, sicher wird es noch viel zu digitalisieren geben, im Verkehr, in der Verwaltung, beim Shoppen, aber die letzte Entscheidung, wo und was zu welchen Kosten geschieht, fällt nicht mehr die Technik. Technik bestimmt mit aber sie bestimmt nicht mehr allein.

Vor die Digitale Zukunft hat das Leben die Future gesetzt. So der neueste Stand der Fridays vor Future. Nach der Kränkung, dass sich die Erde nicht um die Sonne dreht und der Kränkung, dass wir Menschen Teil der Evolution sind sowie der Kränkung von Trieben gesteuert zu sein, kommt jetzt die vierte, die "digitale Kränkung", dass wir eine Technik erfunden haben, die uns kontrolliert statt uns zu befreien, so formuliert es die FAZ angesichts des Ex-Agenten Edward Snowden (nach Sascha Lobo: Die digitale Kränkung des Menschen; faznet 1/2014). Wir werden sie überleben (müssen).

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Mittwoch, 2. Oktober 2019
Wir „Letztbesteiger“
„Letztbesteiger“, mit diesem Ausdruck wurde Reinhold Messmer vor einigen Tagen im Radio zitiert. Das Wort ist nicht von ihm, gab es schon vor ihm. Die Letztbesteigung steht im Gegensatz zur Erstbesteigung. Bei der Erstbesteigung des Mount Everest ohne Sauerstoffmaske war Messmer der erste. An das Wort und das Faktum der Erstbesteigung haben wir uns gewöhnt, die Letztbesteigung dürfte vielen neu sein. Streng genommen, können wir auch gar nicht genau wissen, ob wir wirklich die ersten sind, die den Berg besteigen, den Fuss auf das Land setzen.

Unserer Kenntnis nach, in unserer Zeit, so muss man sagen, sind oder waren wir die ersten. Zu anderer Zeit, man nennt es „vor unserer Zeit“ oder „Vorzeit“ waren es andere Völker, die andere Sprachen sprachen, die Orte anders nannten, die dort waren oder gewesen sein konnten. In Amerika, zum Beispiel, als es noch nicht Amerika hiess und die, die da waren, andere Namen hatten und von woanders herkamen.

Ihre Welt, ihre Orte, ihre Namen, so heisst es, seien versunken. Für uns, die wir eines Tages auf Zeugnisse dieser Menschen stossen, tauchen sie auf, setzen sich zusammen zu Bildern und Karten. Wir versuchen, die Schriften dieser Menschen zu entziffern, ihre Karten zu lesen. Heute, in unserer Zeit.

Letztbesteiger: So wie wir Erstbesteiger sind in unserer Welt, könnten wir auch die Letztbesteiger sein. In unserer oder einer anderen Welt. Richtungswechsel: Letztbesteiger, ist, wie kaum ein anderer Begriff, geeignet, diesen Richtungswechsel anzuzeigen. Einer der wenigen Begriffe, um uns aus diesem Gefängnis, das Zukunft heisst, zu befreien. Ein Begriff, der, weil er unsere Zukunft meint, an unsere Gegenwart gebunden ist. Anders, ganz anders zu sein, bleibt ein leeres Versprechen, das nicht gehalten werden kann. Der Letztbesteiger, wendet den Blick, auch wenn er oben steht, am Ziel seiner Wünsche ist, den Blick zurück: Wenn wir die letzten sind, wer war dann vor uns, wer kommt dann nach uns? Letztbesteiger zu sein, heisst, Abschied zu nehmen. Es gibt Worte, die sind Fakten. Einmal in der Welt, sind sie kaum rauszukriegen. Letztbesteigungen verwandeln eine unabsehbare Zukunft in ein absehbares Ende. Man sieht sich schon umsehen nach anderen Zielen. Dabei geht es doch vorwärts! Das Rad des Schicksals dreht sich, in Indien wie im Mittelalter. Ja, es dreht sich nach vorn, aber ins Ende. Und aus dem Ende kommt etwas anderes, am Ende kommt etwas neues.

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