Montag, 23. September 2019
Noch immer
„Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel“
(Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen)

Gibt’s alles auch woanders, den hohen Grad der Verinnerlichung gibt’s in z.B. in der Schweiz.Jeder Schweizer ein Polizist oder Geschwindigkeit-“Übertreter“, dann, wenn er nämlich im Ausland Auto fährt. Aber immer bleibt man Bürger.

Gibt’s auch in Italien. Wo man mit Lust die Gesetze des Gauner-Staates übertritt und am Strand Schlangenlinien in den Sand fährt. Aber immer bleibt man Übertreter.

Gibt’s auch in Frankreich. Wo man die Autoritäten, die „responsables“, achtet, bevor man sie im nächsten revolutionären Moment stürzt, aber immer bleibt man Staatsbürger.

Dass ich meine Wahrnehmung mit ins Älter-sein nehme hätte ich auch nicht gedacht. Alle genannten Nachbarn kommen mir selbstverständlicher und sich selbst näher vor. Das kann eine Projektion sein oder auch nicht. Selbstverständlichkeit fehlt uns. Wer wäre sonst im Gleichschritt in den Untergang marschiert?

Im Innern ists das Hölzerne, Pedantische, das Preussische, das uns zusammenhält. Im Innern wird’s Äusserlich. Preussen war artefizielles Staatsgebilde viel mehr als regionale Identität. „Preußen war ein seit dem Spätmittelalter bestehendes Land an der Ostsee, zwischen Pommern, Polen und Litauen. Sein Name wurde nach 1701 auf ein weit größeres, aus Brandenburg-Preußen hervorgegangenes Staatswesen angewandt, das schließlich fast ganz Deutschland nördlich der Mainlinie einschloss und bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges bestand.“ (Wikipedia Preussen). Und was das Staatsgebiet nicht hergab, das musste ersetzt werden durch Haltung, durch Hacken-Zusammenschlagen, durch Zusammen-Nehmen. Die Aufklärung Voltaires und des grossen Friedrichs war Aufklärung von Aussen für die da Oben. Dieser Aufklärung fehlten die Subjekte, die Masse, das Volk. Daher das Hölzerne, das Pedantische.

Aber wir sind ja nicht nur Deutsche, sondern Badner, Bayern, Sachsen, Mecklenburger usw. und als solche auch Deutsche.

... link


Sonntag, 15. September 2019
Wort, Marketing, Musik
Wort: Die akustische Seite des Wortes
Wort: Bilder, die optische Seite des Wortes
Wort: Stimme, Laut, die akustische Seite („Wortgeklingel“)
Wort, fällt uns zuerst ein: die unanschauliche abstrahierende Seite

Marketing war mit Aufkommen der industriellen Produktion Absatzstrategie.
Marketing zerfaserte mit der Zielgruppendifferenzierung in Untergruppen (uva. Guerilla-, E-mail-Marketing)
Marketing für (digital-technisch) spezialisierte Firmen und Dienstleistungen ist persoenlich und spricht persoenlich an.

1. Marketing hat eine digitalisierte, datenverarbeitende Seite, die zu reglementieren ist.
2. Marketing hat eine persönliche, direkte, kreative Seite, die tunlichst nicht zu gaengeln ist.

Musisch-literarische „Doppelbegabung“
Die Musikwissenschaftler Harald Eggebrecht und Dieter Holland zitiert nach der Sendung, dlf 14./15.09.2019 über Robert Schumann: Es treibt mich ein dunkles Sehnen

„Schumanns Musik reagiert auf den unaufhaltsamen Zerfall der Wiener klassischen Formenwelt und orientiert sich an einer neuen Idee, die Schumann selbst als das „Poetische“ bezeichnet. Gegen den Formalismus, das „Mechanische“ der Musik gerichtet, verfolgt Schumann mit dieser musikalischen Konzeption nichts weniger als den Versuch, die Musik jenseits der von der Wiener Klassik ausgebildeten Sprache erneut beredt zu machen, mit der Musik zu erzählen, zu sinnieren, zu lachen, zu weinen, ja den gesamten emotionalen Bereich in Tönen zu „dichten“, in Musik zu sprechen, als sei die Musik eine Literatur sui generis.“ Schumann war von Literatur affiziert, er hat sich in die Dichtung, die ihn bewegte, mit Leib und Seele hineinversetzt, besonders in die von Jean Paul.

Da wird, das wird klar, also nicht etwas vertont sondern überschritten, was zusammengehört, nämlich die Grenze

- zwischen Musik und Sprache
- zwischen Stimme und Wort (vgl. F+E zum Charakter der Stimme
)

... link


Freitag, 13. September 2019
Das Gleiche und das Andere - Theorie und Erfahrung
1. Über Armin Nassehi: Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft (Neuerscheinung 9/2019); in: Dlf 24.8.19

Für Nassehi ist Beispiel dafür die Datenschutzgrundverordnung. Die Idee der DSGVO sei genial, doch die Praxis unterscheide sich stark davon. Denn es seien zwar rechtliche Regulierungen geschaffen worden, die den Leuten am Smartphone zeigt, was die Apps mit ihren Daten machen. Doch das eigentliche Problem, nämlich die Technik, die es möglich macht so viele Daten zu sammeln, ist immer noch dieselbe und sammle fleißig weiter.
Darum ist es in seinen Augen wichtig zu verstehen, dass Menschen zwar von Technologie angezogen würden, diese aber auch eine Bedrohung darstelle. Es sei naiv zu glauben, dass Warnungen zu einem veränderten Nutzungsverhalten führen würden, so Nassehi. Darum sei es wichtig, einen Diskurs zu finden, der tatsächlich zu einem anderen Verhalten führt.

Kommentar Kühne:
Das entscheidende Wort ist „sammeln“. Das Prinzip des Sammelns ist das den Problemen gemeinsame Merkmal.
Das „andere Verhalten“ folgt einem anderen Prinzip: Das des Unterschieds, der Alternative.

2. Die narrative Alternative zum wissenschaftlichen Exkurs: Erinnerungen an die Zukunft

Nach 50 Jahren in derselben Urlaubsregion. Das mach ich nicht gerne. Letztens gings. Denn es war nicht dieselbe Region. Herrmann Hesse war dazugekommen: Der Monte Verita bei Locarno, Montagnola bei Lugano. Aber nicht nur er. Denn ich sah die Region mit anderen Augen. Mit meinen („neuen“) Augen. Die bestätigten mir, dass ich ein anderer war, gerade die Erinnerung tat das. Ich erinnere mich in Lugano, dass ich eine Erwartung an die Zukunft hatte, die damals nicht mehr sein konnte als eine Haltung. Aber diese Haltung hatte ich schon, wenn auch im Wesentlichen unformulierbar. Und an die erinnere ich mich.

... link