Freitag, 24. Juli 2020
Demonstrativ

Ich war das letzte Jahr auf 3 grossen Demos (1x Flüchtlinge, 2x Fridays), so viel wie schon lange nicht mehr seit meiner Studentenzeit. Ich bin kein grosser Demonstrant. Es bleibt ein Rest von Unwohlsein bei mir. Ich bin es gezwungenermassen. Eine Art Ultima Ratio.

Der Inhalt meiner Existenz ist etwas anderes. Das, was man bürgerliche Existenz nennen kann. Leben, arbeiten, Beziehung. Existenz im engeren Wortsinn. Das, was auch der Flüchtling vor Augen hat: Sein Leben leben.

Die (politische) Demonstration ist das Gegenteil. Sie bringt den Widerstand auf einen Punkt, ein Motto. Wer das absolut setzt, gibt seinem Leben demonstrativen Charakter: Zu jedem Thema sind Statements, Credos abrufbar. Das berühmte Ein-Wort-Argument aus meinem vorigen Beitrag ist nicht weit. Es entspricht dem Button auf dem T-Shirt, dem erhobenen Schild auf der Demo. Der zum Trichter (wie der des Megaphons), geformte Mund nimmt das im Anschlag gehaltene (Demo-) Motto vorweg.

Durchgehalten, macht diese Reduktion unser Leben zu etwas Demonstrativem. Alles steht für etwas, weist auf etwas hin, (fast) nichts verweist auf mich, mein Für und Wider, meinen durchaus differenzierten, sprich erklärungsbedürftigen, Standpunkt. Dabei ist der doch das Ziel. Ich reduziere mich auf meine Rolle als Demonstrant und statt fruchtbarem Land tut sich vor meinen Augen eine unübersehbare Menge von Menschen auf, die Gleiches und Ähnliches skandieren wie ich.

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