Mittwoch, 24. Juli 2019
Leporello-Potential contra Konflikt-Potential
Gedanken, die sich im Kreise drehen, immer wieder die bekannten Stationen passieren, immer wieder vorbei am „Ja-aber“ oder „Nein – und wenn doch?“, ohne dass sich was löst oder auflöst. Dann ab in die nächste Runde oder Blase. Auch Sinn kann Blasen schlagen, krampfhaft sucht man nach des Rätsels Lösung dem, was doch unbedingt getan werden müsste.

Das ist es für mich nicht: Die verkrampfte Suche nach Innovation und Potential. Potential, das ist für mich das Andere, zunächst mehr Geahnte als Geweckte, das nur gegen Widerstände und unter Mühen gehoben wird. Nicht abgeschlossene Ausbildungen, schlechte Beurteilungen versperren den Weg, ein vertracktes Schicksal scheint dem Potential entgegenzustehen. Zunehmende Unzufriedenheit pflastert den Weg zum Potential.

Noch etwas anderes steht dem Potential entgegen: Die wohlmeinende Optimierung der Begabung nämlich durch Elternhaus und Schule. Die felsenfeste Überzeugung: Dem „Wunderkind“ werde so Bildung „in die Wiege gelegt“. Dies ist eine Art Entfaltungspotential, das wie ein Leporello Seite um Seite „organisch“ aufgeklappt und entfaltet wird. Nicht zufällig steht bei dieser Leporello-Entfaltung die Schule und Bildung im Mittelpunkt. Von real-existierenden hermetischen, vergleichsweise undurchlässigen, Bildungslandschaften zeugt die Wirklichkeit.

Am 10.07.19 schrieb ich hier im Blog: „Lebensleistung wird dem Leben abgerungen gegen (…) Widerstand und Handikap, gegen Schicksalsschläge, gegen die rassistische, geschlechtsorientierte Zurücksetzung und vieles andere, was man nicht sieht“.

Studiert habe ich Sozial und Gesellschaftswissenschaften, so hiess das damals. Kommunikationswissenschaften sagt man heute. Gemacht habe ich aber was anderes, nämlich Marketing für Werbe- Marketing-Agenturen, IT-Firmen, Mediendienstleister etc. Die Basis-Qualifikation des Sich-Mitteilens, nicht etwa die Formalqualifikation (Magister), fand ihr Betätigungsfeld dort, wo Resonanz und Rückmeldung direkt erfolgen. Inhalte der formalen Bildung waren mein Backoffice für Einordnung, Vertiefung und Schwerpunktbildung.

Lässt man sich auf die Basis-Begabung ein, entdeckt man Facetten, auf die man in einem via System und Oberbegriff gefiltertem Denken gar nicht gekommen wäre. Plötzlich entdeckt man Teile und Aspekte seiner Begabung, die einem sonst verschlossen geblieben wären.

Das heisst für mich Potential: Ein Statement gegen Mainstream-Blasen, fürs Gegenläufige, fürs Majorisierte. Potential-Hebung hat mit Arbeit zu tun, mit Widerstand, gewiss mit Schmerzen, wenn es gegen das Ideal geht. Die Alternative zur Leporello-Entfaltung ist das Konflikt-Potential.

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