Donnerstag, 12. März 2020
LERNEN CONTRA FAKE NEWS
Gemeinhin wird unterschieden zwischen „absichtlichem“ und „beiläufigem“ Lernen (Wikipedia). Im Zuge der Wissensexplosion sowie der dominanten Rolle des Internet wird „beiläufiges Lernen“ ein wachsender Bestandteil des Lernens werden (vgl. Dinkelaker, von Hippel: Erwachsenenbildung in Grundbegriffen Stuttgart 2014). In diesen Zusammenhängen wird auch vom „zerstreuten Lernen“ gesprochen. Um nichts weniger geht es: Die Formen, in denen gelernt und die gelernt werden.

Im Kern geht es dabei um die Art und Weise, mit der wir, eben auch Kinder, sich digital präsentes Wissen aneignen, nämlich direkt und selbständig im Internet. Auswirkungen hat das aber nicht nur auf das Lernen mittels Lernmedien, sondern überhaupt auf das soziale Klima, das Verhältnis der Generationen, d.h. die Aufgabe, die die ältere Generation bei der Wissensvermittlung hatte. Das alles ändert den Zugriff auf das Wissen von der fachlichen wie auch der sozialen Seite der Lebenswelt. Und damit nicht genug, auch der Lernstoff selbst ändert sich. Jedes "Fach" wurde einzeln und für sich behandelt. Heute dagegen ist Lernen in der Vermittlung längst nicht mehr in gleicher Art und Weise an Zeit- und Ort gebunden. All das macht die Informations- und Wissensvermittlung sehr anpassbar an die individuelle (Lern-) Situation, birgt aber auch die Gefahr, dass auch der Kompass zur Überprüfung und Einordnung verloren geht. Falschinformationen, Fake News sind die Folge.

Als Lernender benötige ich also a) eine allgemeine Informationskompetenz, mir aus Medien (Bücher, Artikel, Blog-Beiträge, Videos usw.) das herauszufiltern, was ich wissen will, ohne aber den Zusammenhang und die Einordnung ausser Acht zu lassen und b) eine speziellere Kompetenz, wie Lern- und Lehrmedien (E-Learning-Tools, MOOCs, Webinare, Online-Kurse) zu handhaben sind.

Beispiel: Wie sich das Lernen verändert:
Wollte ich mich früher informieren, was Profil und Verfahren der Firma anging, die ich als Marketer ansprechen wollte, bestellte ich (Print-) Material, ging auf Messen, rief ggf. in der Firma an. Heute erfahre ich im Internet oft ungleich mehr: Geschichte der Firma, eingesetzte Verfahren, anzusprechende Entscheider usw.
Schon bin ich mitten in einem Lernprozess, der sich letztlich gar nicht nur auf dieses Unternehmen beschränkt.

Irgendwann kann Wissen (muss allerdings nicht) in Bildung umschlagen. Es entsteht in einem ein Bild, das Wissen und Erfahrung zusammenführt, das Erklärung und Interpretation nahelegt. Eine Sicht der Dinge bildet sich heraus, ob mehr bewusst oder eher intuitiv. Der in der Tat revolutionäre Unterschied zu früher: Keine Autorität entscheidet das verbindlich, kein Kanon legt das so und nicht anders fest. Deshalb brauchen Nutzer ein Bewertungssystem, innerhalb dessen sie Ergebnisse anzweifeln und sich auch irren dürfen. Das genau erlaubt der Blick über den Tellerrand, auf die Zusammenhänge. Aber nur unter der Voraussetzung, dass ich die Bereitschaft habe zu lernen. Ein Blick, der abhärtet gegen Fake News, Hate Speech und Verschwörungstheorien. Auch manche Internet-Blase, die sich nur auf sich selbst bezieht, ohne Einwände und andere Aspekte zuzulassen, dürfte dazuzurechnen sein. Wieso sonst kommen Ratschläge und Urteile im Internet oft so unisono daher?

Beispiel: Wie sich der Horizont erweitert:
Der Bitkom-Verband empfiehlt den inzwischen eingebürgerten Begriff Software-Designer durch den Begriff Digital-Designer zu ersetzen: „Der Verband spricht bewusst von Digital Designern und nicht von Software-Designern. Denn die neuen Experten sollen sich nicht nur um die Software kümmern, sondern auch um deren Kontext, etwa um Geschäftsprozesse und Business Modelle. Vergleichbar mit Industrie-Designern ist es die Aufgabe von Digitalen Designern, den Entwicklungsprozess durch Skizzen, Modelle, Spezifikationen und Prototypen zu leiten. Sie kooperieren firmenintern mit dem Management, dem Marketing, der Entwicklung und dem Betrieb von Software.“ (Christiane Pütter, Warum Unternehmen jetzt Digital Designer brauchen … in: Computerwoche vom 22.02.2018). Der Digital-Designer arbeitet demzufolge mit den Schnittstellen zu Management, Marketing und einzelnen Software-Anwendungen. Das heisst nichts anderes, als dass der Mitarbeiter es mit Management-Entscheidungen, strategischen Weichenstellungen wie auch dem Einsatz der Software zu tun hat. Natürlich erfährt dadurch auch der Begriff (und Beruf) des Designers einen Bedeutungswandel.

Verglichen mit dem Software-Designer hat der Digital-Designer einen deutlich grösseren Blickwinkel, der auch der Blasenbildung vorbeugt. Aber Vorsicht! Die Blase wird vielleicht nur größer, weg ist sie allein dadurch noch nicht. Wer kannte früher einer Digital-Designer? Und: Wer wird morgen noch einen kennen? Heute dagegen ist der Begriff hilfreich und erhellt das Gelände, auf dem wir uns bewegen. Aber es ist unser Gelände, unser Kulturkreis, woanders wird anders gelernt.

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