Montag, 4. September 2023
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Martin Bubers Chassidim.
Durch seinen Grossvater lernte Martin Buber die auf das 18. Jahrhundert datierende Bewegung der Chassidim (Chassiden) kennen.

Die Chassidim passen sich dem Erscheinungsbild der Ostjuden (schwarzer Anzug, Hut) an, sprengen aber besonders in den Fällen, in denen sie den Schtreimel, einen Hut mit einem braunen, breiten Pelzrand von geschätzt 10 cm Kantenlänge, tragen, das Bild.

Zudem brechen sie als Erweckungsbewegung radikal mit der jüdischen Gesetzesreligion. Der Motor ist die Mystik, d.h. eine mystisch motivierte Glaubens und Lebensauffassung.

Eine Abwendung, die nicht frontal sondern vor allem subversiv und immanent geschieht. Das bedeutet: In den Haltungen, Einstellungen, die das Leben prägen, wie auch in den Bildern vom Glauben und religiösen Visionen, kommen diese Brüche zum Ausdruck, ohne dass sie sich als Gegenpositionen „festnageln“ lassen.
Kirchenführer kann man aber damit in der Regel nicht täuschen. Meister Eckart, christlicher Mystiker, entging nur knapp der Verurteilung als Ketzer.

Nicht nur damit fügen sich jüdische Mystiker in die Phalanx der islamischen und christlichen Mystiker ein, schliessen quasi eine Lücke und erlauben Aussagen, die der offiziellen Gesetzesreligion verwehrt sind.

So erlebt Bubers Sammlung Die Erzählung der Chassidim wiederholt Neuauflagen, "überlebt" auch den Untergang des Ostjudentums und wird Bubers erfolgreichstes Buch. Die chassidische Ablehnung der Gesetze gipfelt in dem Gebot "liebe und tue was du willst", aus der Freude als oberste Maxime folgt.

Und so sucht denn auch Buber in seinen chassidischen Geschichten nach dieser positiven Haltung, verbunden mit der Bewahrung des Glaubens unter widrigsten Umständen: Buber erlebte die Fast-Auslöschung des Ost-Judentums, das Scheitern der Assimilation dazu auch Brüche in der eigenen Biografie bis zum Verbot der Lehrtätigkeit in Frankfurt 1933.

Die Chassidim waren eine entrechtete, verarmte und stigmatisierte Minderheit. Sich ihrer zugehörig zu fühlen, heisst für Buber nicht nur, sich den Schuh anzuziehen‘, sondern gleich den ganzen Anzug.

Während Ratschläge häufig in die Richtung gehen, Vorurteile nicht zu bestätigen, sind hier Buber und seine Chassidim in der Gegenrichtung unterwegs. Und zwar auf die Gefahr hin, den Mechanismus der Vorurteilsbildung noch zu verstärken. Bubers Methode kann man als ‚Unterlaufen‘ bezeichnen. Man könnte mit entsprechend geübtem therapeutischen Scharfsinn sogar von Selbstertüchtigung sprechen, davon, durch zunehmendes Selbst-Bewusstsein der Opferrolle zu entkommen. Das Festhalten am Anders-sein kann gerade dem Täter-Opfer-Schema entgegen wirken!

Die leidvolle jüdische Geschichte gibt Buber recht. Nicht die Deutung, die Begegnung ist die einzige Lösung. Bei dieser Zumutung stehen Martin Buber die Chassidim zur Seite.

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Freitag, 1. September 2023
mb - today
Um Martin Bubers Kampf gegen Hass-Reden und Wut-Attacken, also seine Lebensumstände, darum geht’s mir besonders in meinem Blog Martin Buber-heute.

Martin Buber, ein Vielschreiber und Diskutant, hat sich in so gut wie jeden ernsthaften Streit und Disput seiner Zeitgenossen eingeschaltet. Deshalb haben auch viele seiner Einlassungen diesen Hintergrund. Das bringt die Gefahr mit sich, dass wir den reflektierten Stil dieser (oft wissenschaftlichen) Auseinandersetzungen, mitlesen und mitfühlen. Buber stand damals, um es mit dem Liederpoeten Wolf Biermann zu sagen, mitten im „Getümmel“ seiner Zeit. Die Zeit setzt Umstände und Verhältnisse einem steten Veränderungsfluss aus. Auch Hass und Wut sind mittlerweile gesamtgesellschaftliche Erscheinungen, die in unterschiedlichen, sich ständig ändernden Zusammenhängen vorkommen, wie

- der „Einheit“ der Deutschen, aufgeladen durch die ideologische Konfrontation der Ost-West-Vergangenheit

- dem Mobbing unter Jugendlichen, das sich u.a. auch rassistischer Muster bedient

- die „Me-too“ – Auswüchse sexueller Unterdrückung.

Dies alles und noch viel mehr schlägt sich in Hass- und Wutausbrüchen nieder. Allerdings mangelt es den Reaktionen, gerade, wo sie in Handlungsanweisungen münden, an-grundsätzlicher Orientierung.

Da kann die Expertise Martin Bubers, der, unbeugsam und unerschrocken, Differenzierungen nicht scheute, nur förderlich sein.

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Mittwoch, 30. August 2023
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. . . dieser Blog kümmert sich um Martin Buber - und zwar nicht zuerst um seine sozial-philosophischen, sozial-psychologischen und religionstheoretischen Dispute und Diskussionen, die er mit vielen Zeitgenössen (1875-1965) führte. Dagegen dreht sich der Blog um seine Stellung in Theorie und Praxis als Protagonist einer umkämpften und oft genug dominierten Minderheit. Er stand sein Credo eines Dialogs unter allen, auch lebensgefährlichen Umständen durch. An Denkern und Tätern wie ihn, einem mit allen persönlichen und wissenschaftlichen Wassern gewaschenen Kämpfer seines Schlages haben wir heute den dringlichsten Bedarf.

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