Donnerstag, 19. März 2020
Old School contra Neuro
Henning Beck ist Neurowissenschaftler und sagt: Wir lernen falsch. In seinem neuen Buch beschreibt er, wie es anders gehen könnte: Das neue Lernen heißt Verstehen. (2020)

Es liest sich, als hätte just die Trend-Disziplin Neurowissenschaft all das, was sich über hunderte von Jahren als Lernerfahrungen angesammelt hatte, die Aufgabe dies zu erhärten. Entgegen der optimierten Paste und Copy - Manie von Leuten, die Computer mit ihrem Kopf verwechseln.

Ich befasse mich auf diesem Blog wiederholt mit Lernen. Die Haupt-Thesen des Interview von Nadja Schlüter mit Henning Beck
in: JETZT (SZ-Partner) vom 15.03.2020 gebe ich hier wieder.

These: Es bleibt nur hängen, was wir wirklich verstanden haben.

-Beck hält es „nicht für erstrebenswert, „Computerhirne“ zu haben.
-Es gibt die Fähigkeit, mit der Sprache umzugehen, sich also in Grammatiken, semantische Zusammenhänge und sprachlichen Ausdruck reindenken zu können, die nicht verloren geht.
-Das Gehirn wird oft mit einer Festplatte verglichen. Du schreibst in deinem Buch, es sei eher wie ein Orchester. Wie meinst du das?
-Gedanken und Informationen liegen nicht irgendwo im Gehirn, sondern entstehen, weil Nervenzellen zusammenspielen. Wie bei einem Orchester, in dem die Musik auch erst entsteht, wenn die Leute miteinander spielen.
-Das heisst , dass dieses Zusammenspiel bedeutet, dass man für echtes Wissen etwas „verstehen“ muss und nicht nur „lernen“. Klassisches (Auswendig-) Lernen heisst, sich Informationen reinzuhauen, um sie dann irgendwann fehlerfrei abzurufen
-„Im Internet ist überhaupt kein Wissen verfügbar – für Wissen braucht es das Gehirn“
-Wenn Menschen einen „Aha-Moment“ haben, wenn sie sagen: „Ah, jetzt habe ich es verstanden“, sind in diesem Moment ganz andere Areale im Gehirn aktiv als beim Lernen,
-Areale, die Wortbedeutungen verarbeiten oder räumliches Vorstellungsvermögen produzieren.
-Verstehen bedeutet, die Art zu ändern, wie man denkt, sodass auch neue Probleme bearbeitet werden können.
-Wissen ist also die Fähigkeit, mit Informationen umzugehen, damit einen Sinn zu erreichen oder ein Problem zu lösen.
-Und die Annahme, im Internet sei alles Wissen der Welt immer und überall verfügbar, ist, falsch?
-Im Internet ist überhaupt kein Wissen verfügbar, sondern nur Datensätze und bestenfalls Informationen.
-Damit aus beidem Wissen wird, muss jemand aktiv darüber nachdenken. Und dafür braucht es ein menschliches Gehirn.
Demnach ist es auch gar nicht erstrebenswert ein „Computerhirn“ zu haben?
- Um Gottes Willen, nein! Erstens sind Computer extrem schlecht darin, mit wenig Energie schnell zu einer Lösung zu kommen.
„Jetzt hat es Klick gemacht, ich hab’s kapiert!“ – das können Computer nicht.
-Zweitens speichern Computer viel und dann dauert es auch lange, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.
- „Man versteht eine Antwort immer besser, wenn man selbst eine Frage gestellt hat“
-Nicht auf Lerntechniken verlassen, die angeblich dafür sorgen, dass das Gelernte besser „abgespeichert“ wird, wie Wiederholung, Unterstreichungen, Eselsbrücken.
-Stattdessen: Nicht versuchen, Informationen wiederzugeben, sondern sie erstmal in Schaubildern veranschaulichen und sich Fragestellungen überlegen, um sie anzuwenden.
-Auch: Wir sollten mehr Selbstgespräche führen.
- Wer am wenigsten weiß, kann am besten Fragen stellen!
- Man versteht eine Antwort besser, wenn man eine Frage stellt.
Was bedeutet deine These für das Bildungssystem?
-Das Problem ist, dass dort und ganz generell in unserem Leben versucht wird, Unklarheit zu vermeiden.
-Denn in den heutigen Medien wird uns alles möglichst eingängig in Häppchen erklärt.
-Das ist eine sehr bekloppte Idee, dass man Wissen so effizient vermitteln kann – denn Wissen entsteht nur, wenn aus Unklarheit Klarheit wird, wenn wir ein Rätsel lüften.
-Gute Wissensvermittlung ist darum immer etwas ineffizient.
-Erst wenn sich Menschen aktiv mit etwas beschäftigen, verstehen sie es.
-„Einige Sachen muss man auswendig lernen, um geistige Werkzeuge zu haben – zum Beispiel das kleine Einmaleins“
-Aufgabe von Bildung: Dass Menschen aktiv Probleme lösen.
-Das heisst, ich muss Menschen Freiheiten geben, Dinge auszuprobieren.
-Man muss (wieder) lernen, mit der Hand zu denken.
-Mit dem Stift, nicht der Tastatur.
-Nach „Lerntypen“ zu differenzieren, ist kompletter Schwachsinn.
-Wenn beim Lerntypen-Test rauskommt, dass ich gerne lese, sollte ich nicht lesen, sondern alle anderen Kanäle benutzen.
-Genau solcher Quatsch, wie bei Nahrung. Abwechslungsreiche Ernährung gilt bei geistiger Ernährung genauso.(Methodenmix)
-Sprache und Motorik sollte man in jungen Jahren lernen. Bei vielen anderen Dingen ist das aber nicht der Fall.
-Das Gehirn ist also niemals fertig – und es ist auch niemals voll.

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Montag, 16. März 2020
Tippisierung
Such mal nach Job Vertrieb in München. Dann findest du zuerst vier Anzeigen von Suchmaschinen für Jobs in München. Und dann findest du Tipps:

- Tipps, wie Sie den richtigen Job finden
- Tipps, wie Sie die richtige Berater finden
- Tipps, wie Sie die Jobanzeige richtig aufsetzten
- Tipps, wie Sie die richtige Such-Jobmaschine finden

Die Tippisierung der Gesellshaft schreitet unaufhaltsam voran. Auch, wenn du nicht findest, was du sucht, einen Tipp hast du dann sicher für uns!

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Donnerstag, 12. März 2020
LERNEN CONTRA FAKE NEWS
Gemeinhin wird unterschieden zwischen „absichtlichem“ und „beiläufigem“ Lernen (Wikipedia). Im Zuge der Wissensexplosion sowie der dominanten Rolle des Internet wird „beiläufiges Lernen“ ein wachsender Bestandteil des Lernens werden (vgl. Dinkelaker, von Hippel: Erwachsenenbildung in Grundbegriffen Stuttgart 2014). In diesen Zusammenhängen wird auch vom „zerstreuten Lernen“ gesprochen. Um nichts weniger geht es: Die Formen, in denen gelernt und die gelernt werden.

Im Kern geht es dabei um die Art und Weise, mit der wir, eben auch Kinder, sich digital präsentes Wissen aneignen, nämlich direkt und selbständig im Internet. Auswirkungen hat das aber nicht nur auf das Lernen mittels Lernmedien, sondern überhaupt auf das soziale Klima, das Verhältnis der Generationen, d.h. die Aufgabe, die die ältere Generation bei der Wissensvermittlung hatte. Das alles ändert den Zugriff auf das Wissen von der fachlichen wie auch der sozialen Seite der Lebenswelt. Und damit nicht genug, auch der Lernstoff selbst ändert sich. Jedes "Fach" wurde einzeln und für sich behandelt. Heute dagegen ist Lernen in der Vermittlung längst nicht mehr in gleicher Art und Weise an Zeit- und Ort gebunden. All das macht die Informations- und Wissensvermittlung sehr anpassbar an die individuelle (Lern-) Situation, birgt aber auch die Gefahr, dass auch der Kompass zur Überprüfung und Einordnung verloren geht. Falschinformationen, Fake News sind die Folge.

Als Lernender benötige ich also a) eine allgemeine Informationskompetenz, mir aus Medien (Bücher, Artikel, Blog-Beiträge, Videos usw.) das herauszufiltern, was ich wissen will, ohne aber den Zusammenhang und die Einordnung ausser Acht zu lassen und b) eine speziellere Kompetenz, wie Lern- und Lehrmedien (E-Learning-Tools, MOOCs, Webinare, Online-Kurse) zu handhaben sind.

Beispiel: Wie sich das Lernen verändert:
Wollte ich mich früher informieren, was Profil und Verfahren der Firma anging, die ich als Marketer ansprechen wollte, bestellte ich (Print-) Material, ging auf Messen, rief ggf. in der Firma an. Heute erfahre ich im Internet oft ungleich mehr: Geschichte der Firma, eingesetzte Verfahren, anzusprechende Entscheider usw.
Schon bin ich mitten in einem Lernprozess, der sich letztlich gar nicht nur auf dieses Unternehmen beschränkt.

Irgendwann kann Wissen (muss allerdings nicht) in Bildung umschlagen. Es entsteht in einem ein Bild, das Wissen und Erfahrung zusammenführt, das Erklärung und Interpretation nahelegt. Eine Sicht der Dinge bildet sich heraus, ob mehr bewusst oder eher intuitiv. Der in der Tat revolutionäre Unterschied zu früher: Keine Autorität entscheidet das verbindlich, kein Kanon legt das so und nicht anders fest. Deshalb brauchen Nutzer ein Bewertungssystem, innerhalb dessen sie Ergebnisse anzweifeln und sich auch irren dürfen. Das genau erlaubt der Blick über den Tellerrand, auf die Zusammenhänge. Aber nur unter der Voraussetzung, dass ich die Bereitschaft habe zu lernen. Ein Blick, der abhärtet gegen Fake News, Hate Speech und Verschwörungstheorien. Auch manche Internet-Blase, die sich nur auf sich selbst bezieht, ohne Einwände und andere Aspekte zuzulassen, dürfte dazuzurechnen sein. Wieso sonst kommen Ratschläge und Urteile im Internet oft so unisono daher?

Beispiel: Wie sich der Horizont erweitert:
Der Bitkom-Verband empfiehlt den inzwischen eingebürgerten Begriff Software-Designer durch den Begriff Digital-Designer zu ersetzen: „Der Verband spricht bewusst von Digital Designern und nicht von Software-Designern. Denn die neuen Experten sollen sich nicht nur um die Software kümmern, sondern auch um deren Kontext, etwa um Geschäftsprozesse und Business Modelle. Vergleichbar mit Industrie-Designern ist es die Aufgabe von Digitalen Designern, den Entwicklungsprozess durch Skizzen, Modelle, Spezifikationen und Prototypen zu leiten. Sie kooperieren firmenintern mit dem Management, dem Marketing, der Entwicklung und dem Betrieb von Software.“ (Christiane Pütter, Warum Unternehmen jetzt Digital Designer brauchen … in: Computerwoche vom 22.02.2018). Der Digital-Designer arbeitet demzufolge mit den Schnittstellen zu Management, Marketing und einzelnen Software-Anwendungen. Das heisst nichts anderes, als dass der Mitarbeiter es mit Management-Entscheidungen, strategischen Weichenstellungen wie auch dem Einsatz der Software zu tun hat. Natürlich erfährt dadurch auch der Begriff (und Beruf) des Designers einen Bedeutungswandel.

Verglichen mit dem Software-Designer hat der Digital-Designer einen deutlich grösseren Blickwinkel, der auch der Blasenbildung vorbeugt. Aber Vorsicht! Die Blase wird vielleicht nur größer, weg ist sie allein dadurch noch nicht. Wer kannte früher einer Digital-Designer? Und: Wer wird morgen noch einen kennen? Heute dagegen ist der Begriff hilfreich und erhellt das Gelände, auf dem wir uns bewegen. Aber es ist unser Gelände, unser Kulturkreis, woanders wird anders gelernt.

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