Freitag, 17. Januar 2020
Kampf ums Banale
Alternative Welten in der Literatur, im Film usw. führen ein Doppelleben im Verhältnis zur Realität. Man spricht auch von einer „erstarrten Imagination“. Die Bilder werden zu „harten“ Fakten, die Räume verengen oder ueberhoehen oder Wege sperren. Und das, indem sie ein ambivalentes Doppelleben imaginieren. Paradebeispiel ist Kafka. Er war der erste, der das Beklemmende der neuen bilderreichen Zeit thematisierte. Die Bilder, der Käfer zum Beispiel, wird Realität, der Radius wird enger, viel enger.

Animation nennen wir das. Animismus wird das genannt, wenn man von sogenannten Naturvölkern spricht. Verlebendigung ists in Film und Video, Belebung von Natur und Umwelt durch Geister und Götter. Kinderwelten verlassen das Kinderzimmer.

Die Bilder in Legenden, Mythen, Märchen bevölkern unser Leben. Religiöse Bilder nicht selten. Sie geben uns, fern der Vernunft, Orientierung, die wir selten wahrhaben wollen.

Die 4./5. Woche wird als Beginn des Baby-Lächelns beobachtet. Damit hält sich das Kind seine Umwelt gewogen, erhält Zuwendung und Sympathie. Bleibt diese aus, stirbt das Kind. Todesursache: Deprivation. Die Belebung durch Zuwendung ist also alles anderes als schmückendes Beiwerk. Banales ist ueberlebenswichtig. Auch wir Kinderzimmer-Flüchtlinge haben uns dem Kampf ums Banale zu stellen. Es ist das einzig wirksame Gegenmittel gegen Diktaturen der Bilder, die sich zu alternativen Welten auswachsen. Deren Realitätsgehalt wird entscheidend von der narzisstischen auf sich bezogenen Selbstüberschätzung heutiger Menscher gespeist, die sich anmassen, sämtliche Lebenswelten konstruieren und konzipieren zu können.

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Dienstag, 14. Januar 2020
Was ist bürgerlich?
Es gibt heute Leute, die legen Wert darauf, bürgerlich genannt zu werden.
Weil sie mit einer bürgerlichen Partei koalieren wollen.

Wenn sie bürgerlich sagen, meinen sie vielleicht konservativ. Was sie aber sind: sie sind extrem. Sie greifen die Presse als Lügenpresse an, sie greifen die Rechtinstitutionen an. Sind die etwa nicht bürgerlich?

Was ist bürgerlich? Der Bürger begann aufzutreten als der Adel begann, abzutreten. Der Bürger grenzte sich fortan scharf gegenüber dem 4.Stand, dem Proletariat ab.

Die Massenbewegungen nach Einsturz der Monarchien waren Bewegungen der Massen, geführt von kleinen Cliquen.

Der Bürger aber las seine Zeitung, die mit dem Kapitalismus und der buergerlichen Gesellschaft entstanden waren. Er lernte verschiedene Meinungen kennen und lernte, es sich mit seiner Meinung nicht leicht zu machen.

Der Bürger beteiligt sich am Wirtschafts- und Sozialsystem, davon lebt er seine buergerliche Existenz. Er lebt nicht von Propaganda, Agitation und Demonstration. Nur ab und zu ist er auf der Demo. Der Bürger agiert als Individuum. Er lässt Politik machen. Nur im Notfall lässt er sich wählen. Das hat ihm eingetragen, er sei sich seiner Sache sicher, habe mehr Macht als er zugeben wolle. Daran sieht man, dass sich auch Nicht-Bürger irren können.

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Mittwoch, 8. Januar 2020
Zeige deine Wunde
sagt Josef Beuys zu mir.

Das ist gegen den Instinkt. Instinktiv schirmt man sie ab. Schon ein Luftzug kann schmerzhaft sein. Die Angst vor weiterer Verletzung steigt ins Grenzenlose. Die wachsende Empfindlichkeit
sprengt jede Verhältnismäßigkeit.

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