Mittwoch, 3. Juli 2019
Wenn Realität Träume übertrifft: Neue Bilder
Die Parenzana, der Wander- und Radweg auf der Schmalspur-Trasse von Triest nach Porec in Kroatien: Von Koper bis Portoroz geht es entlang der Slowenischen Küste. Traumhafte Bilder von sonnendurchgluehten Macchia-Haengen, blauem Meer, kalk-weissen Klippen, sind schon da bevor wir da sind. Die Realität übertrifft den Traum. Wie das? So:

Es regnete. Wir rutschten gleich einen Schlammhang runter und waren fortan einseitig mit gelben Lehm paniert wie Bratfische. Eine Bahnstrecke ist ein Wirtschaftsweg und in diesem Fall auch einer mit habsburgisch-militärischer Bedeutung. Der Weg läuft schon mal direkt an der Küste um die Vorgebirge, aber er läuft dann auch eher unspektakulär abseits der Küste je nachdem wie es dem geologischen Profil am ehesten entspricht. Ein Weg, den die Einheimischen mitunter erst nach einigem Nachdenken wissen. Vor dem Tunnel so grosse Pfützen, dass wir erst nach einigem Nachdenken den Weg hinein und hindurch fanden.
Wie er dann wirklich führte, durch Wiesen und Felder, quer durch ein Tal, entlang einer wahrhaft fürstlichen Baumallee, bergauf, durch einen zweiten Tunnel, 900 Meter lang, und dann mit dem Blick auf Bucht und Stadt Portoroz. Ein Bild wie ein Schlag vor den Kopf, ein Schlag, bei dem einem die vom Dunkel geweiteten Augen aufgehen. Wir haben es erst gar nicht begriffen: Der Weg ging nicht sturzbergab wie wir gingen. Er führte, wie wir 2 Tage später begriffen, hanglang gemächlich südwärts, langsam an Höhe verlierend, so wie es Zügen geziemt. Dann an der nächsten Bucht postkartenschön entlang der Küstenlinie um den Bergstock herum auf die Rückseite von Portoroz, die Salinenseite, die in der Sonne brütende Seite der Arbeit an der Grenze zu Kroatien. Dort kam ambientegemaess ein Anruf: Eine neue Firma meldete sich. Die Wirklichkeit hat den Traum übertroffen, einfach weil sie wirklich ist. Neue an Stelle alter Bilder. Darum geht man Wege.

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Montag, 1. Juli 2019
ROLLE
WORTART: Substantiv (weiblich)
Rol●le, Mehrzahl: Rol●len.

SPRICHWÖRTLICH: von der Rolle sein, aus der Rolle fallen
SPRICHWÖRTLICH / ENGLISCH: out of role
SPRICHWÖRTLICH / DEUTSCH: unabhängig von der Rolle
TECHNISCH: Ein drehbares, kreisförmiges Rad oder Walze
ÜBERTRAGEN: Faktor
SPORTLICH : Übung mit der Rolle vor- oder rückwärts
SOZIAL: Die Position in Gesellschaft, Familie, Geschäftsleben
BERUFLICH: Gewerbeschein, Berufsrolle ("Ich bin Maler, Arzt "etc.)
IT: Berechtigung des Benutzers der Infrastruktur (engl.: user role)
LITERARISCH: Der Text einer Figur; ursprünglich die Schrift-Rolle
SPRICHWÖRTLICH /ENGLISCH): Out of role
SPRICHWÖRTLICH /DEUTSCH: die Rolle abgelegt

ASSOZIATIV: Out of Rosenheim Film (deutsch) 1987; in der
Hauptrolle Marianne Sägebrecht
Die Zutaten des Films, den so gut wie jeder kennt: Das Verlassen des angestammten Ortes – Die Flucht einer Bayerin nach Ehekrach in das ganz andere: die Wüste von Las Vegas - Eine Freundschaft zwischen der gern in Tracht gekleideten Bayerin und der völlig anderen und andersfarbigen Amerikanerin - Ein Verehrer – Ein zufällig aufgetauchter Zauberkasten als Anstoss zu ihrem Job als Zauberkünstlerin – Der Eintritt in die Welt der Kunst als Modell – Das unvermeidliche Happy End: Die Annäherung an das Fremde.
Soweit der Auszug aus meinem (ganz persönlichen) Wörterbuch.

Die Rolle und das Neue:
Ob „out of Role“ oder „out of Rosenheim“, jeweils geht es darum, sich von Festlegungen zu lösen um sich dem Neuen zunähern. Aber: Neues zu denken und zu tun, ist nicht so einfach, wie es scheint. Es liegt an Rollen, die uns steuern, zum Beispiel:

Die Rolle der (umwelt-) politischen Aktivisten (just do it !)
Die Rolle der Grossart-ich und Eigennutz -Verfechter (Geiz ist geil)
Die Rolle der kleveren Durchblicker (Akademiker wollen Sie sein?)
Die Rolle der wissenden Praktiker (mir erzählen Sie nichts)
Die Rolle der moralisch-ethischen Überzeugungstäter
Die Rolle der Ratgeber, die schneller sind wie die Fragenden
Die Rolle derer, versponnen im Sinn-Kokon, die Welt erklären
Die Rolle der prinzipiell alles „Kritisch-Sehenden“
Die Rolle der Einfach-Drauflos-Probierer
Die Rolle der (Selbst-) Ironiker, aus der sie nicht herauskommen
Die Rolle der Digital-Enthusiasten, die nur sehen, was digital ist
Die Rolle der analog-emotionalen Widerständler
Die Rolle der Aussenseiter

Warum sind soziale Rollen so resistent?
1. Rollen sind so fest mit einem verbunden, weil sie mit (Selbst-) Bildern verbunden sind
2. Rollen setzen früh ein, in der Familie, in der Schule, damit auch: Auf- und Abwertung
3. Rollen profilieren sich in Abgrenzung gegeneinander

Dabei ist die Grundlage für Rollen heute so fragwürdig wie nie:
1. Grundlagen für Hierarchien werden zunehmend brüchig
2. Alternative Berufsfelder lösen Aufstiegsfixierungen ab
3. Wissensbasierte Rollen konkurrieren mit Medienzugängen

Out of role – Warum ist das wichtig?
- Um wirklich etwas „disruptiv“ anders und neu zu machen
- Um neue Berufs- und Bildung-Kombinationen zu testen
- Um sich „neu zu erfinden" nach einem "langen" Berufsleben
- Um sich auszuprobieren, ohne Brief, Siegel und Lizenz
- Um die Rollen zu verlassen, die mich an Neuem hindern

Fazit positiv: Rollen fassen unsere Erfahrungen zusammen, erklären Sichtweisen, erlauben Distanzierung
Fazit negativ: Rollen halten gefangen und isolieren (ganz ähnlich wie Blasen im Internet).

Wer Stoff für Rollenüberschreitungen sucht, findet sie im BLOG: KUEHNESMALLWORLD.

Blog und Brevier nennt er sich: Bilanzierend (Brevier) für mich, publizierend (Blog) nach aussen. Das geht bei mir zusammen.

Denn zu oft sind Blogs mediale Fürstentümer mit PR-Abteilung.
Glaubwürdigkeit aber entsteht durch Entwicklung + Veränderung. Ein chronologisch geführter Blog (seit Fukushima, 2011 bis heute) inklusive Entwicklungen, Neu-Ansätzen, und Impulsen.

Zu meinen eigenen Rollen:
Selbstständig im Marketing (Agenturen, Firmen),
+ Student Kommunikationswissenschaften
+ Mitarbeiter in einer Wohnungsbau-Genossenschaft (Notdienst)

Ich gebe hier meine e-mail an:
- Reden wir miteinander über Rollen und Möglichkeiten
- Im Dialog, in der Beratung, in Projekten (Vorträgen),
- Beim Spaziergang, im Cafe, z.B.in einer Bibliothek (München)
Kuehne-Kon@web.de

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Mittwoch, 12. Juni 2019
Das Wort
Zum Wort, dem Wort, habe ich mich schon mehrfach geäussert. Es gab aber nicht so viel aktuelle Literatur dazu, wohl zur Psycholinguistik, Neurolinguistik, aber weniger zum Wort.

Ob „Wort“ in der Sprachwissenschaft überhaupt eine brauchbare Kategorie ist, ist umstritten. So stellte Ferdinand de Saussure den Begriff „Wort“ völlig zurück und sprach stattdessen schlicht vom „Zeichen“ (siehe Wiki: Wort). Mich mit dem Wort zu befassen, dazu regten mich zuletzt Klemperer und Welzer an (s.o.).

Heute sucht alle Welt spätestens seit SEO wieder nach dem Wort! Dem Wort, durch das wir finden und gefunden werden. Man kann alle möglichen Such-Kanäle auf- oder zumachen, verengen oder erweitern, aber es bleibt beim Wort. Auch, weil die Bezeichnung, der Produktname, der Firmenname als Wortmarke feststehen und geschützt sind. Vor allem aber, weil die Sprache und das Wort das höchste Abstraktionsniveau haben.

Die Botschaft, der Sinn, ist abhängig von der Konnotation, dem Umfeld, in dem sie gebraucht werden. Die Botschaft ist also abhängig vom Verständnis. Dies wiederum von den Inhalten. Die man verstehen oder auch missverstehen kann. Abhängig auch vom Sinn, Doppelsinn, Hintersinn, von Komik, Ironie, Witz. Also vielem, was Computer nicht verstehen.

Worte können Bilder enthalten, sogar ein Bild sein oder darstellen. Sogar mehrere. Aber das Wort im Bild bildet zusammen eine Einheit, die sich viel schlechter auflösen lässt als Worte. Nicht selten ist ihre Botschaft sprachlich gar nicht mehr aufzudröseln. Da träumt jemand von einer Kollegin, Waldi im Kollegenkreis genannt, nachts drauf von einem Dackel namens Waldi. Und während ihre Kollegin ein Scheusal ist, ist der Dackel ganz lieb, was nicht so selbstverständlich ist. Das Wort nimmt Dackel-Gestalt an, wird Fleisch. So wird es zugänglich, veränderbar. Man sieht, die Grenze zwischen Wort und Bild ist durchlässig.
Das Wort ist die abstrakteste und multipelste Form des Ausdrucks, das in verschiedenen Medien Gestalt annehmen kann.

Ein Lied kann eine Brücke sein, singt Joy Flemming
Ein Wort kann, wenn es fällt, Wellen schlagen, fällt mir dazu ein.

Micro-Begriffe – Macro-Begriffe – Meta-Begriffe:

Ich gehe zurück zum Zitat Welzers: Durch Begriffe würden Probleme auf Distanz gehalten, z.B. „Dritte Welt“, „failed states“, „korrupte Regierungen“, „Asylbetrug“, „Islamisierung“. Wer mit solchen Begriffen arbeitet, übernimmt die Distanzen, Abstraktionen, die in ihnen liegen. Ich nenne sie daher Distanz-Begriffe: Macro-Begriffe.

Ich kann näher rangehen. Dann stosse ich auf Widersprüche, Gegensätze. Beispiele die den Distanz-Begriff aufbrechen. Ich lande beim untypischen Einzelfall: Micro-Begriffe.

Ich kann aber auch weiter weggehen.
Es gibt Menschenrechte, die man nicht von ungefähr auch die allgemeinen nennt. In Philosophie, Naturwissenschaften spricht man von d e m Mensch, d e r Anthropologie. In den Religionen ist von der Gleichheit der Menschen vor Gott die Rede: Meta-Begriffe.
Ins Vor-Urteil gewendet: Alle Russen, alle Bayern, alle Männer.

Weiter Wort für Wort (angeregt von V. Klemperer, s.o.):

Schwarm-Intelligenz ist ein Beispiel, wie die die ältere „Masse“ mit der innovativen Intelligenz eine Symbiose eingeht, so dass einem der „alte Wein“ im intelligenten Schlauch gar nicht meehr auffällt.

DNA ist auch ein Beispiel. Der biologische Kontext wird flugs in den betrieblichen & sozialen verschoben, transformiert. Plötzlich ist „DNA“ in aller Munde, als ob die Gene ab sofort nicht nur biologische sondern auch soziale oder geschäftliche „Erb“-Information enthalten.

Arno Makowsky nennt fjy, brainen und asapst als weitere Beispiele in seinem Artikel: Wie die Sprache im digitalen Zeitalter verhunzt wird (Der Tagesspiegel am 20.12.2015).
Ein Brainer ist ein Überflieger, Fyi meint: zu eurer Information, asapst ist die Steigerungsform von asap = as soon as possible, also noch sooner als soon.

Man hat den Eindruck, dass diese Verhunzungen und Abkürzungen gar nicht verstanden werden sollen, sondern Insider kennzeichnen sollen, eine Art (Jugend-) Geheimsprache. Diese „digitale Kommunikation“ nennt Makowsky schlicht „Klonsprache“ weil sie persönliche Nähe nur vortäusche. Das sind sie, die Worte und Abkürzungen der Digital-Sprache, nicht minder manipulativ als ihre Vorgänger, stupider, nur dümmlicher, lästernder.

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