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Freitag, 8. September 2023
mb - today
kuehnesmallworld, 09:12h
Erste Übersicht: Lage des Zuhörens und der Zuhörer
vgl. s. Artikel (DLF 8.09.23)
1. Wir sollten einander mehr zuhören
Hier wird vor allem die Unsitte des Unterbrechens angeprangert sowie volle Konzentration aufs Zuhören gefordert. Darunter fällt das Nachfragen und das Sich-Versagen jedweder Relativierung. Man spricht nicht zufällig davon "ganz Ohr" zu sein. Konzentriertes Zuhören lässt sich sogar als Inspiration für gute Gedanken bewerten. Der Blick geht also ins Detail und hat einen (überraschend) positiven Touch.
2. Chr. Buchs, Gründer des Zuhör-Kiosk in der U-Bahn Hamburgs. "Es hört einem ja keiner mehr zu."
Das ist noch am ehesten der Sound, unter dem das Thema meist abgehandelt wird. Es geht noch weiter: Das Zuhören nämlich versetze eine/n in eine von der Optik her betrachtet, zunächst passive Position. Dahinter lässt sich ein Zitat Martin Bubers hören: "Leben heisst angeredet werden" (M Buber Zwiesprache 1954).
Danach geht es sogar um (aktives) anreden (!), nicht (nur) ums Gespräch, das Christoph Quarch "das Gespräch des Lebens" nennt. Werde Ansprechen und Anspruch abgewehrt, seien Einsamkeit, Gegeneinander und (wörtlich) ZERSTÖRUNG DER NATUR die Folge (!). Eines der wenigeren Male, bei denen Umweltthematik im Zusammenhang der Dialogphilosophie auftaucht.(Vgl. CHRISTOPH QUARCH, DAS GROSSE JA; Akademie 3 (Beitrag über geistiges Paradigma).
vgl. s. Artikel (DLF 8.09.23)
1. Wir sollten einander mehr zuhören
Hier wird vor allem die Unsitte des Unterbrechens angeprangert sowie volle Konzentration aufs Zuhören gefordert. Darunter fällt das Nachfragen und das Sich-Versagen jedweder Relativierung. Man spricht nicht zufällig davon "ganz Ohr" zu sein. Konzentriertes Zuhören lässt sich sogar als Inspiration für gute Gedanken bewerten. Der Blick geht also ins Detail und hat einen (überraschend) positiven Touch.
2. Chr. Buchs, Gründer des Zuhör-Kiosk in der U-Bahn Hamburgs. "Es hört einem ja keiner mehr zu."
Das ist noch am ehesten der Sound, unter dem das Thema meist abgehandelt wird. Es geht noch weiter: Das Zuhören nämlich versetze eine/n in eine von der Optik her betrachtet, zunächst passive Position. Dahinter lässt sich ein Zitat Martin Bubers hören: "Leben heisst angeredet werden" (M Buber Zwiesprache 1954).
Danach geht es sogar um (aktives) anreden (!), nicht (nur) ums Gespräch, das Christoph Quarch "das Gespräch des Lebens" nennt. Werde Ansprechen und Anspruch abgewehrt, seien Einsamkeit, Gegeneinander und (wörtlich) ZERSTÖRUNG DER NATUR die Folge (!). Eines der wenigeren Male, bei denen Umweltthematik im Zusammenhang der Dialogphilosophie auftaucht.(Vgl. CHRISTOPH QUARCH, DAS GROSSE JA; Akademie 3 (Beitrag über geistiges Paradigma).
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Dienstag, 5. September 2023
mb - today
kuehnesmallworld, 10:17h
Territorium.
Bis zum 4. Lebensjahr in Wien lebend, wuchs Martin Buber in Lemberg bei seinen Grosseltern auf. In Leipzig, Berlin und Zürich studierte er Philosophie, Psychiatrie, Germanistik. Über 20 Jahre lebte Buber in Heppenheim an der Bergstrasse. Er lehrte in Frankfurt und Jerusalem.
Bubers Hintergrund war multikulturell, ihn selbst könnte mensch als Multi-Migranten bezeichnen. Sicherlich ein Schicksal, vor allem aber ein Vorsprung, geht es nämlich ums vernetzte Denken. Bubers Lebensradius ist deckungsgleich mit den Kernbereich und Kernbestand des europäischen humanistischen Denkens seiner Zeit, Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts. Seine vielen Reisen, sein Horizont, der bis nach Asien und Nordamerika reichte, die vielen (7) Sprachen, die er sprach, sind noch nicht mitgezählt.
Bubers Territorium war Europa, sein kulturelles Gravitationszentrum war die Philosophie Europas.
Das Territorium ist mehr als ein Ort, es definiert, wie bei Buber, den geistigen Standort, bezeichnet seine Position in der Konfrontation mit den Rechtsradikalen in den Nationalstaaten. Das Territorium ist mit verantwortlich für die Ausgestaltung des Feindbildes im Detail. Der ostjüdische Hintergrund der ihrerseits nach Lemberg zugewanderten Bubers, seine Parteinahme für eine eigenständige jüdische Identität lange vor der Gründung des Staates Israel, fügt sich in den Frontverlauf rassistischer Angriffe auf Buber.
Bis zum 4. Lebensjahr in Wien lebend, wuchs Martin Buber in Lemberg bei seinen Grosseltern auf. In Leipzig, Berlin und Zürich studierte er Philosophie, Psychiatrie, Germanistik. Über 20 Jahre lebte Buber in Heppenheim an der Bergstrasse. Er lehrte in Frankfurt und Jerusalem.
Bubers Hintergrund war multikulturell, ihn selbst könnte mensch als Multi-Migranten bezeichnen. Sicherlich ein Schicksal, vor allem aber ein Vorsprung, geht es nämlich ums vernetzte Denken. Bubers Lebensradius ist deckungsgleich mit den Kernbereich und Kernbestand des europäischen humanistischen Denkens seiner Zeit, Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts. Seine vielen Reisen, sein Horizont, der bis nach Asien und Nordamerika reichte, die vielen (7) Sprachen, die er sprach, sind noch nicht mitgezählt.
Bubers Territorium war Europa, sein kulturelles Gravitationszentrum war die Philosophie Europas.
Das Territorium ist mehr als ein Ort, es definiert, wie bei Buber, den geistigen Standort, bezeichnet seine Position in der Konfrontation mit den Rechtsradikalen in den Nationalstaaten. Das Territorium ist mit verantwortlich für die Ausgestaltung des Feindbildes im Detail. Der ostjüdische Hintergrund der ihrerseits nach Lemberg zugewanderten Bubers, seine Parteinahme für eine eigenständige jüdische Identität lange vor der Gründung des Staates Israel, fügt sich in den Frontverlauf rassistischer Angriffe auf Buber.
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Montag, 4. September 2023
mb - today
kuehnesmallworld, 09:39h
Martin Bubers Chassidim.
Durch seinen Grossvater lernte Martin Buber die auf das 18. Jahrhundert datierende Bewegung der Chassidim (Chassiden) kennen.
Die Chassidim passen sich dem Erscheinungsbild der Ostjuden (schwarzer Anzug, Hut) an, sprengen aber besonders in den Fällen, in denen sie den Schtreimel, einen Hut mit einem braunen, breiten Pelzrand von geschätzt 10 cm Kantenlänge, tragen, das Bild.
Zudem brechen sie als Erweckungsbewegung radikal mit der jüdischen Gesetzesreligion. Der Motor ist die Mystik, d.h. eine mystisch motivierte Glaubens und Lebensauffassung.
Eine Abwendung, die nicht frontal sondern vor allem subversiv und immanent geschieht. Das bedeutet: In den Haltungen, Einstellungen, die das Leben prägen, wie auch in den Bildern vom Glauben und religiösen Visionen, kommen diese Brüche zum Ausdruck, ohne dass sie sich als Gegenpositionen „festnageln“ lassen.
Kirchenführer kann man aber damit in der Regel nicht täuschen. Meister Eckart, christlicher Mystiker, entging nur knapp der Verurteilung als Ketzer.
Nicht nur damit fügen sich jüdische Mystiker in die Phalanx der islamischen und christlichen Mystiker ein, schliessen quasi eine Lücke und erlauben Aussagen, die der offiziellen Gesetzesreligion verwehrt sind.
So erlebt Bubers Sammlung Die Erzählung der Chassidim wiederholt Neuauflagen, "überlebt" auch den Untergang des Ostjudentums und wird Bubers erfolgreichstes Buch. Die chassidische Ablehnung der Gesetze gipfelt in dem Gebot "liebe und tue was du willst", aus der Freude als oberste Maxime folgt.
Und so sucht denn auch Buber in seinen chassidischen Geschichten nach dieser positiven Haltung, verbunden mit der Bewahrung des Glaubens unter widrigsten Umständen: Buber erlebte die Fast-Auslöschung des Ost-Judentums, das Scheitern der Assimilation dazu auch Brüche in der eigenen Biografie bis zum Verbot der Lehrtätigkeit in Frankfurt 1933.
Die Chassidim waren eine entrechtete, verarmte und stigmatisierte Minderheit. Sich ihrer zugehörig zu fühlen, heisst für Buber nicht nur, sich den Schuh anzuziehen‘, sondern gleich den ganzen Anzug.
Während Ratschläge häufig in die Richtung gehen, Vorurteile nicht zu bestätigen, sind hier Buber und seine Chassidim in der Gegenrichtung unterwegs. Und zwar auf die Gefahr hin, den Mechanismus der Vorurteilsbildung noch zu verstärken. Bubers Methode kann man als ‚Unterlaufen‘ bezeichnen. Man könnte mit entsprechend geübtem therapeutischen Scharfsinn sogar von Selbstertüchtigung sprechen, davon, durch zunehmendes Selbst-Bewusstsein der Opferrolle zu entkommen. Das Festhalten am Anders-sein kann gerade dem Täter-Opfer-Schema entgegen wirken!
Die leidvolle jüdische Geschichte gibt Buber recht. Nicht die Deutung, die Begegnung ist die einzige Lösung. Bei dieser Zumutung stehen Martin Buber die Chassidim zur Seite.
Durch seinen Grossvater lernte Martin Buber die auf das 18. Jahrhundert datierende Bewegung der Chassidim (Chassiden) kennen.
Die Chassidim passen sich dem Erscheinungsbild der Ostjuden (schwarzer Anzug, Hut) an, sprengen aber besonders in den Fällen, in denen sie den Schtreimel, einen Hut mit einem braunen, breiten Pelzrand von geschätzt 10 cm Kantenlänge, tragen, das Bild.
Zudem brechen sie als Erweckungsbewegung radikal mit der jüdischen Gesetzesreligion. Der Motor ist die Mystik, d.h. eine mystisch motivierte Glaubens und Lebensauffassung.
Eine Abwendung, die nicht frontal sondern vor allem subversiv und immanent geschieht. Das bedeutet: In den Haltungen, Einstellungen, die das Leben prägen, wie auch in den Bildern vom Glauben und religiösen Visionen, kommen diese Brüche zum Ausdruck, ohne dass sie sich als Gegenpositionen „festnageln“ lassen.
Kirchenführer kann man aber damit in der Regel nicht täuschen. Meister Eckart, christlicher Mystiker, entging nur knapp der Verurteilung als Ketzer.
Nicht nur damit fügen sich jüdische Mystiker in die Phalanx der islamischen und christlichen Mystiker ein, schliessen quasi eine Lücke und erlauben Aussagen, die der offiziellen Gesetzesreligion verwehrt sind.
So erlebt Bubers Sammlung Die Erzählung der Chassidim wiederholt Neuauflagen, "überlebt" auch den Untergang des Ostjudentums und wird Bubers erfolgreichstes Buch. Die chassidische Ablehnung der Gesetze gipfelt in dem Gebot "liebe und tue was du willst", aus der Freude als oberste Maxime folgt.
Und so sucht denn auch Buber in seinen chassidischen Geschichten nach dieser positiven Haltung, verbunden mit der Bewahrung des Glaubens unter widrigsten Umständen: Buber erlebte die Fast-Auslöschung des Ost-Judentums, das Scheitern der Assimilation dazu auch Brüche in der eigenen Biografie bis zum Verbot der Lehrtätigkeit in Frankfurt 1933.
Die Chassidim waren eine entrechtete, verarmte und stigmatisierte Minderheit. Sich ihrer zugehörig zu fühlen, heisst für Buber nicht nur, sich den Schuh anzuziehen‘, sondern gleich den ganzen Anzug.
Während Ratschläge häufig in die Richtung gehen, Vorurteile nicht zu bestätigen, sind hier Buber und seine Chassidim in der Gegenrichtung unterwegs. Und zwar auf die Gefahr hin, den Mechanismus der Vorurteilsbildung noch zu verstärken. Bubers Methode kann man als ‚Unterlaufen‘ bezeichnen. Man könnte mit entsprechend geübtem therapeutischen Scharfsinn sogar von Selbstertüchtigung sprechen, davon, durch zunehmendes Selbst-Bewusstsein der Opferrolle zu entkommen. Das Festhalten am Anders-sein kann gerade dem Täter-Opfer-Schema entgegen wirken!
Die leidvolle jüdische Geschichte gibt Buber recht. Nicht die Deutung, die Begegnung ist die einzige Lösung. Bei dieser Zumutung stehen Martin Buber die Chassidim zur Seite.
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