Montag, 21. März 2022
Friedfische
Friedfische: Kam im Radio. Ich hab aufgemerkt. Kannte das Wort nicht. Mein Computer auch nicht: Er schreibt Griechische. Nein, Friedfisch ist deutsch und das Gegenteil von Raubfisch. Da muss reichen fürs Weltverständnis. Wir nennen den Raubfisch einen Raubfisch, weil wir finden, dass wenn einer andere Fische frisst, dann erfüllt das den menschlichen Tatbestand des Raubens.
Klarer Fall: Er ist ein Räuber. Der Angler und wie er die Welt sieht.
Noch klarerer Fall: Das Gegenteil ist der Friedfisch. Findet Dr Angler. Sagen Sie das mal den Würmern und Schnecken, die er frisst. Sind das keine Tiere? So redet man sich die Welt schön bzw. schlecht.

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Sonntag, 20. März 2022
Noch zu Bachmann
Ingeborg Bachmann erinnert mich an eine andere Neben-Steherin nämlich Simone Weil. Todesursache: Neben-Steherin, weil sie nicht ertragen konnte, dass andere Hungers starben, und sie nicht. Anders als Bachmann könnte sie dies aber positiv in Sinn fassen. Böll sagt über sie, und dass er überhaupt etwas über sie sagt, ist sensationell:

?Die Autorin liegt mir auf der Seele wie eine Prophetin; es ist der Literat in mir, der Scheu vor ihr hat; es ist der potentielle Christ in mir, der sie bewundert, der in mir verborgene Sozialist, der in ihr eine zweite Rosa Luxemburg ahnt; der ihr durch seinen Ausdruck mehr Ausdruck verleihen möchte. Ich möchte über sie schreiben, ihrer Stimme Stimme geben, aber ich weiß: ich schaffe es nicht, ich bin ihr nicht gewachsen, intellektuell nicht, moralisch nicht, religiös nicht. Was sie geschrieben hat, ist weit mehr als ?Literatur?, wie sie gelebt hat, weit mehr als ?Existenz?. Ich habe Angst vor ihrer Strenge, ihrer sphärischen Intelligenz und Sensibilität, Angst vor den Konsequenzen, die sie mir auferlegen würde, wenn ich ihr wirklich nahe käme. In diesem Sinne ist sie nicht ?Literatur als Gepäck?, aber eine Last auf meiner Seele. Ihr Name: Simone Weil.?
Heinrich Böll: Eine Last auf meiner Seele 1979
Es gibt Sätze und Einsichten, die können nur Lasten sein.

Eine andere Last stammt aus der Sendung Am Sonntagmorgen heute am 20.03.22: Die Last lautet: Der Tod am Kreuz wird dadurch zu einer Glaubens-Aussage, dass ich etwas Befreiendes in ihm sehe.

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Mittwoch, 16. März 2022
Natur, Wandern, Raum & Neben-sich-Stehen der Bachmann
"Die Protagonistinnen wandern auf Waldwegen auf der Suche nach ihrer eigenen Richtung, eine Metapher für das Leben, das war und das sie erwartet. Eine Wanderung, die kein Ende findet, die aber hilft, über die Unvollkommenheit menschlicher Beziehungen, über Ernüchterung und Illusion nachzudenken.

Sich Raum zwischen den Seiten schaffen

Elisabeth erkannte, dass sie diese Ereignisse zwar erlebt, aber gleichzeitig nicht erlebt hatte, denn diese Geschichten hatten immer etwas Undurchsichtiges und Leeres an sich. Das Undurchsichtige war, dass sie zwar alles miterlebt hatte, aber ihr Leben hatte sich sozusagen abseits abgespielt, in einer anderen Welt. Und gerade deshalb war es ihr oft entglitten, wie einem Zuschauer, der jeden Tag ins Kino geht und sich von einer anderen Welt als der eigenen betäuben lässt."

Soweit zum Raum, den Literatur schafft. Das Schlüsselwort heisst "Zuschauer". Gegen dieses Lebensgefühl hilft auch völliges Eintauchen in Aktivität und Hektik nicht. Das Lebensgefühl bleibt bis heute. Sie war kindliche Zeugin einer gewalttätigen Epoche, Freundin von Henze und Celan. Unser Schicksal: Zeuge und daneben. Nett aber hilflos, unsere Versuche aufs Bild zu kommen.
Die Wahrheit darf dieses Daneben nicht ignorieren. Sonst gerät unser Leben unter Kitschverdacht: Gekünsteltes statt Kunst. Imitat statt Orginal. Quelle: Zu Bachmanns Buch: SIMULTAN (https://blog.treedom.net/de/books-womens-day).

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