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Mittwoch, 4. November 2020
Gespalten?
kuehnesmallworld, 17:36h
„Es scheinet vergessen zu wollen, daß es die Aufklärung so mancher wichtigen Punkte dem bloßen Widerspruche zu danken hat, und daß die Menschen noch über nichts in der Welt einig seyn würden, wenn sie noch über nichts in der Welt gezankt hätten.“[9] Das hat Gotthold Ehraim Lessing gesagt in seiner Streitschrift: Wie die Alten den Tod gebildet (1769).
Man hört es aller Orten: Die Gesellschaft sei gespalten, mehr denn je gespalten. Nichts ist normaler als das in einer Demokratie. Gespalten in Regierung und Opposition, Mehrheit und Minderheit, pro und contra. Ohne dieses pro und contra lässt sich weder ein Modus Vivendi, ein Kompromiss, auch kein Konsens herstellen (siehe Lessing). Auch ein Dissenz als formulierter Status Quo ist unabdingbar für das weitere geregelte Austragen von Meinungsverschiedenheiten.
Das alles überwölbende WIR, die Rede von der Gesellschaft, die WIR sind, die Gemeinschaft, die Wir sein sollen und wollen ist dagegen in seiner Ungenauigkeit und Phrasenhaftigkeit vereinnahmend und lädt zum Missbrauch ein.
Gemeint mit der Rede vom Gespalten-sein, besser: gespalten-bleiben, ist denn auch etwas anderes. Nämlich, dass es nicht gelingt, die unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, sprich verständlich zu machen. Damit werden sie akzeptabel, auch, wenn ich sie nicht billige. Ich kann sie akzeptieren, weil ich weiss, es muss nicht das letzte Wort sein. Es können noch viele Worte gewechselt werden.
Man hört es aller Orten: Die Gesellschaft sei gespalten, mehr denn je gespalten. Nichts ist normaler als das in einer Demokratie. Gespalten in Regierung und Opposition, Mehrheit und Minderheit, pro und contra. Ohne dieses pro und contra lässt sich weder ein Modus Vivendi, ein Kompromiss, auch kein Konsens herstellen (siehe Lessing). Auch ein Dissenz als formulierter Status Quo ist unabdingbar für das weitere geregelte Austragen von Meinungsverschiedenheiten.
Das alles überwölbende WIR, die Rede von der Gesellschaft, die WIR sind, die Gemeinschaft, die Wir sein sollen und wollen ist dagegen in seiner Ungenauigkeit und Phrasenhaftigkeit vereinnahmend und lädt zum Missbrauch ein.
Gemeint mit der Rede vom Gespalten-sein, besser: gespalten-bleiben, ist denn auch etwas anderes. Nämlich, dass es nicht gelingt, die unterschiedlichen Positionen zu vermitteln, sprich verständlich zu machen. Damit werden sie akzeptabel, auch, wenn ich sie nicht billige. Ich kann sie akzeptieren, weil ich weiss, es muss nicht das letzte Wort sein. Es können noch viele Worte gewechselt werden.
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Sonntag, 1. November 2020
Risiko und Widerstand
kuehnesmallworld, 19:53h
Ich wünschte, man kann das mal über mich sagen. Eine so gut wie gegenstandslose Hoffnung. Ausser, man führt sich das Werk ihres ersten Mannes Adolf Endler vor Augen, nur in einer Handpresse mit ca. 300 Exemplaren zu veröffentlichen. Daran reicht dieser Blog, in seiner Unwahrscheinlichkeit gelesen zu werden, wenn auch entfernt, vielleicht heran. Ich muss meine Leser auch nicht kennen, sie dürfen anonym bleiben.
„Ich bin außerhalb der Form. Und das ist eine Chance und ein Risiko. Die Menschheit geht mit mir ein Risiko ein, ich diene als Risiko.“ (Wikipedia: Elke Erb)
Das Risiko des Missverständnis übernehme ich daraus für mich.
„Den Sinn ihres Widerspruchs indessen hätten diese Texte nicht haben können, hätten sie nicht einen eigenen, autonomen Sinn aufgebaut. Der war es (und nicht Kampfgeist), der sich einen Weg aus Untertänigkeit, Konsumtion und unproduktiver Ausbeutung suchte.“ (Aus: Pressespiegel Ihres Verlegers)
Der Bundespräsident spricht anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes von ihrem „legendären Eigensinn.
Durch die Nicht-Form, durch den autonomen Eigensinn, der der sich einen Weg sucht aus Anpassung und Konformität, anzuecken, aufzufallen und ausgesondert zu werden, ist als Ziel fast zu kühn, um ausgesprochen zu werden. Aber es gibt solche Menschen, sagen wir mal: es ist ihnen gegeben, und dichten und schreiben, muss man dazu auch nicht unbedingt. Nicht dieses gewollte um jeden Preis Opposition sein. Anecken als Mensch.
Um der vollen Wahrheit die Ehre zu geben: Ihr Vater, ihr erster und zweiter Mann, auch die Mutter, bildeten eine Literaten-Familie, wohl eine Art Schutz. An Adolf Endler trauten sich die Hinauswerfer ran, an sie nicht. Der hatte sich mit Biermann als Grund des Widerstands befasst, sie mit Roland Jahn. Vielleicht hab ich auch meine unbekannten Schutzengel.
„Ich bin außerhalb der Form. Und das ist eine Chance und ein Risiko. Die Menschheit geht mit mir ein Risiko ein, ich diene als Risiko.“ (Wikipedia: Elke Erb)
Das Risiko des Missverständnis übernehme ich daraus für mich.
„Den Sinn ihres Widerspruchs indessen hätten diese Texte nicht haben können, hätten sie nicht einen eigenen, autonomen Sinn aufgebaut. Der war es (und nicht Kampfgeist), der sich einen Weg aus Untertänigkeit, Konsumtion und unproduktiver Ausbeutung suchte.“ (Aus: Pressespiegel Ihres Verlegers)
Der Bundespräsident spricht anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes von ihrem „legendären Eigensinn.
Durch die Nicht-Form, durch den autonomen Eigensinn, der der sich einen Weg sucht aus Anpassung und Konformität, anzuecken, aufzufallen und ausgesondert zu werden, ist als Ziel fast zu kühn, um ausgesprochen zu werden. Aber es gibt solche Menschen, sagen wir mal: es ist ihnen gegeben, und dichten und schreiben, muss man dazu auch nicht unbedingt. Nicht dieses gewollte um jeden Preis Opposition sein. Anecken als Mensch.
Um der vollen Wahrheit die Ehre zu geben: Ihr Vater, ihr erster und zweiter Mann, auch die Mutter, bildeten eine Literaten-Familie, wohl eine Art Schutz. An Adolf Endler trauten sich die Hinauswerfer ran, an sie nicht. Der hatte sich mit Biermann als Grund des Widerstands befasst, sie mit Roland Jahn. Vielleicht hab ich auch meine unbekannten Schutzengel.
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Freitag, 23. Oktober 2020
Bunin und Paty: meine Helden des Tages
kuehnesmallworld, 13:02h
Wie sich für Helden des Tages gehört: Beide wurden aktuell für mich am 22.10.20. Der eine, weil er Tage vorher von einem 18-Jährigen enthauptet worden war. Der andere, weil im Radio seines 150. Geburtstags gedacht wurde (DLF 22.10.2020: 150. Geburtstag des Literaturnobelpreisträgers Iwan Bunin – sozialkritisch, aber kein Revolutionär).
In seiner Dankrede für den Literaturnobelpreis 1933 in Stockholm sagte Bunin unter anderem:
„… Wer bin ich in Wirklichkeit? Ein Flüchtling …“
Und den Bolschewisten, den ideologischen Lehrern der russischen Revolution sagte er 1917: „Gib all diesen Lehrern völlig freie Hand … und heraus kommt ein derartiges Dunkel, … etwas derart Brutales, Ungebildetes, Unmenschliches, dass das ganze Gebäude unter den Verwünschungen der Menschheit zusammenbricht.“
Das Imponierende an diesem Kurz- und Liebesgeschichten schreibenden Poeten ist der Abscheu gegen Gewalt, der der Zaren-Gewaltherrschaft wie der der bolschewistischen. Und das bereits 1919! Und alles ohne Semi-Distanz und falschen Vergleich. Im Flüchtling liegt die Distanz. Und diese Distanz macht den Flüchtling. Ausser diesem Nachruf weiss ich (zur Zeit) nichts von Bunin, nur das, was er mir sagt.
Auch vom anderen weiss ich fast nichts. Es gibt ein Foto von ihm mit Sonnenbrille. Paty sei "das Gesicht der Republik geworden", sagte Präsident Macron bei der Verleihung des Verdienstordens der Ehrenlegion (afp Nachrichten 21.10.2020).
Ich weiss nicht, ob ich die Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hätte. Wahrscheinlich hätte ich etwas weniger brutales, konfontierendes gezeigt. Am Gehalt hätte ich keine Abstriche gemacht. Gradmesser ist die Verletzung der eigenen Religion. Mir fällt da Monty Python ein.
In seiner Dankrede für den Literaturnobelpreis 1933 in Stockholm sagte Bunin unter anderem:
„… Wer bin ich in Wirklichkeit? Ein Flüchtling …“
Und den Bolschewisten, den ideologischen Lehrern der russischen Revolution sagte er 1917: „Gib all diesen Lehrern völlig freie Hand … und heraus kommt ein derartiges Dunkel, … etwas derart Brutales, Ungebildetes, Unmenschliches, dass das ganze Gebäude unter den Verwünschungen der Menschheit zusammenbricht.“
Das Imponierende an diesem Kurz- und Liebesgeschichten schreibenden Poeten ist der Abscheu gegen Gewalt, der der Zaren-Gewaltherrschaft wie der der bolschewistischen. Und das bereits 1919! Und alles ohne Semi-Distanz und falschen Vergleich. Im Flüchtling liegt die Distanz. Und diese Distanz macht den Flüchtling. Ausser diesem Nachruf weiss ich (zur Zeit) nichts von Bunin, nur das, was er mir sagt.
Auch vom anderen weiss ich fast nichts. Es gibt ein Foto von ihm mit Sonnenbrille. Paty sei "das Gesicht der Republik geworden", sagte Präsident Macron bei der Verleihung des Verdienstordens der Ehrenlegion (afp Nachrichten 21.10.2020).
Ich weiss nicht, ob ich die Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hätte. Wahrscheinlich hätte ich etwas weniger brutales, konfontierendes gezeigt. Am Gehalt hätte ich keine Abstriche gemacht. Gradmesser ist die Verletzung der eigenen Religion. Mir fällt da Monty Python ein.
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