Mittwoch, 29. Juli 2020
Lichtblicke
1. Paul Gerhard Braune: Denkschrift gegen NS-Krankentötung

„Die Denkschrift gelangt nicht an die Öffentlichkeit, sorgt aber hinter den Fassaden des Machtapparates für große Unruhe, weil Braune darin belegen kann, dass auch Senile, an Tuberkulose Erkrankte, Kinder mit Behinderung und sogenannte Asoziale zur Tötung bestimmt waren. …

Ende August 1941 führen lauter werdende Proteste zur Schließung der „Euthanasie“- Anstalten. In den staatlichen Heimen geht das Morden jedoch weiter: durch planmäßigen Nahrungsentzug und Verabreichung von Medikamenten (JPK).
(zitiert nach: Alfried Schmitz: Der mutige Protest des Paul Gerhard Braune, DLF 9.7.2020)

2. Johannes Trüper und die Anstalt Sophienhoehe in Jena

In der Zeit des Nationalsozialismus musste sich auch dieses Heim einem System stellen, das den Ideen der Heilpädagogik fundamental entgegengesetzt war. Unter schwierigsten Bedingungen wurde, auch mittels möglichst geringfügiger Anpassung, versucht, die Arbeit im Interesse der Schüler fortzusetzen, was offenbar in vielen Fällen gelang. Einzelheiten sind jedoch nicht immer eindeutig zu klären und aufzuarbeiten (zitiert nach Wikipedia Johannes Trüper, deutscher Pädagoge, Mitbegründer der Heilpädagogik.)

So die nüchterne Charakterisierung im Lexikon.
Viel persönlicher: Die Sophienhöhe Jenas enteignete Geschichte. Autorin: Heike Tauch Dlf 2018 19.06.2018

Bilanz:

"Senile, an Tuberkulose Erkrankte, Kinder mit Behinderung und sogenannte Asoziale" sind leichte weil leise Opfer. Fehlt die Empathie ihrer Betreuer und Verwandten werden sie nicht gehört.

Auch "planmäßiger Nahrungsentzug und Verabreichung von Medikamenten" sind eher Unterlassungstatbestände, die extra nachgewiesen werden müssen.

Durch "... geringfügige Anpassung (wird JPK) versucht, die Arbeit im Interesse der Schüler fortzusetzen ..., was offenbar in vielen Fällen gelang. Einzelheiten sind jedoch nicht immer eindeutig zu klären und aufzuarbeiten."

Es gelang offensichtlich soweit, dass es zur stillschweigenden Abstimmung (oder wie soll man das nennen) mit dem belasteten Psychiater Dr. Ibrahim kam (der obengenannten Quelle zufolge).

Die Euthanasie folgt den gesellschaftlichen Diskriminierungen und Distanzierungen, denen wiederum aus Angst, aus Scham die Menschen folgen. Es braucht schon Mut und Nähe, dagegen zu opponieren.

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Montag, 27. Juli 2020
Wilhelm Salber (* 9. März 1928, † 2. Dezember 2016) ...
... war ein deutscher Psychologe und Philosoph. Er war 30 Jahre lang Direktor des Psychologischen Instituts an der Universität zu Köln und gilt als Begründer der Psychologischen Morphologie.
Über Salber findet sich im Wikipedia der schöne Satz:

„Dabei gelang es Salber, eine psychotherapeutische Denkrichtung zu entwickeln, obwohl er niemals eine Approbation als Psychotherapeut erworben oder eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen hat.“ Das hat er dann persönlich nachgeholt, indem er sich seit 1973 bei Anna Freud auf die Couch legte.

Sein Spezialgebiet waren Konzepte einer Psychologischen Morphologie: Erforschung von Alltag, Kunst, Kultur, Medien; von Erziehung, Werbung und psychotherapeutischer Behandlung.

Weiter kann man lesen: „Unter Berücksichtigung psychoanalytischer, ganzheits- und gestaltpsychologischer Erkenntnisse entwickelte er ein neues psychologisches Konzept, die psychologische Morphologie. Sie geht vom Erleben aus und kommt mit Hilfe einer methodisch strengen Vorgehensweise zu überprüfbaren Erklärungen.“

Auch Entwicklungs- und Generationsprobleme gehören dazu. So schafft man es
1. unter dem Radar von Sozialwissenschaftler wie mir zu bleiben
2. Auf der „gemadten Wies“ von Psychologie und Philosophie ein neues Pflänzchen zu kreiieren
3. Auf der Höhe von Medien, Werbung und Marktforschung Psychologie zu betreiben

Illustre Titel finden sich u.a. im Literaturverzeichnis:

Kunst – Psychologie – Behandlung. Köln 1999, ISBN 3-88375-397-1.
Psychästhetik. Kunstwissenschaftliche Bibliothek, Köln 2002, ISBN 3-88375-523-0.
Mit Jürgen Freichels: Zur Psychologie von Einheit. Zwischenschritte 2 / 1990, ISSN 0724-3766.
Vostell. Mania. Wilhelm Salber. Psychologische Untersuchung. Wilhelm Salber: Rekonstruktion von Metamorphosen. Walther König, Köln 1975.
Das Ei als mediengrammatik zum documenta-projekt von Wolf Vostell. Kassel 1977.[6]
Psychologische Märchenanalyse. Bouvier, 1987, ISBN 3-416-02046-4.
Kleine Werbung für das Paradox. Arbeitskreis Morphologische Psychologie, 1988, ISBN 3925066047.
Seelenrevolution. Komische Geschichte des Seelischen und der Psychologie. Bouvier, Bonn 1993, ISBN 3-416-02478-8.[7]
Undinge. Goyas schwarze Bilder. Köln 1994, ISBN 3-88375-201-0.
Gestalt auf Reisen: Das System seelischer Prozesse. Bouvier, 1998, ISBN 3-416-02784-1.
Goethe zum Film: Morphologische Markt- und Medienpsychologie. Bouvier 2006, ISBN 978-3-416-03155-4 (mit Marc Conrad)
Deutschland und die Welt. Bouvier, 2010, ISBN 978-3-416-03295-7.
Werkausgabe. Bisher erschienen:
Band 3: Morphologie des Seelischen Geschehens. Bonn 2009, ISBN 978-3-416-03269-8.
Band 4: Wirkungseinheiten. Bonn 2007, ISBN 978-3-416-03064-9.
Band 9: Psychologische Behandlung. Bonn 2001, ISBN 3-416-02965-8.
Band 12: Märchenanalyse. Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6.
Band 13: Gestalt auf Reisen. Bonn 1998, ISBN 3-416-02784-1.
Band 15: Traum und Tag. Bonn 1997, ISBN 3-416-02685-3.
Daniel Salber (Hrsg.): Haus aus Zeit. Bouvier, Bonn 2017, ISBN 978-3-416-04022-8.
Yizhak Ahren: Das Lehrstück Holocaust. Zur Wirkungspsychologie eines Medienereignisses. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1982, ISBN 978-3-531-11544-3.
Rüdiger Heimlich: Die Seele als Künstler. In: ksta.de. 7. März 2008, abgerufen am 24. Dezember 2019.
Marktforschung.de: Neugründung in Köln: SALBER, 15. Oktober 2010, abgerufen 28. Oktober 2019

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Mir träumte
Ich träume selten, religiös deutbare Träume noch seltener. Heute habe ich einen geträumt.

Erinnerliche Ausgangspunkte:
- Der Buchtitel des Psychologen Grünewald: Die erschöpfte Gesellschaft, 2013
- Unser Besuch in Prüm, der Keimzelle der Karolinger und des Frankenreiches
- Die Einsicht in das preussische Dominieren dessen, was man Deutschland nannte.

Der Traum:
Das Szenario: Eine breite Straße. Breit wie ein (lothringisches) Strassendorf, städtisch wie z.B. Görlitz. Haus an Haus, aus Stein, jedenfalls erkennbar kein Fachwerk, wie ein stattliches Weindorf. Tor an Tor, grosse offene Tore in Hausbreite, durch die man in erleuchtete Innenräume sieht: Werkstatt & Wohnraum.

Ich folge einer Figur mit breitem Rücken, die sich mal eher der linken, mal eher der rechten Seite nähert. Ich bin nicht die Hauptfigur. Deshalb spielen auch meine Zweifel keine Rolle. Mehr von andern wie von mir selbst, höre ich den Namen Martin Luthers und beziehe ihn auf den Vorturner.

Breit und weit ist die Strasse, nicht eng und beengend. So ist auch die (förderale) Geschichte der Deutschen. Die Reformation ist eine genuin deutsche Revolution, eine bürgerliche Revolution.

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Freitag, 24. Juli 2020
Demonstrativ

Ich war das letzte Jahr auf 3 grossen Demos (1x Flüchtlinge, 2x Fridays), so viel wie schon lange nicht mehr seit meiner Studentenzeit. Ich bin kein grosser Demonstrant. Es bleibt ein Rest von Unwohlsein bei mir. Ich bin es gezwungenermassen. Eine Art Ultima Ratio.

Der Inhalt meiner Existenz ist etwas anderes. Das, was man bürgerliche Existenz nennen kann. Leben, arbeiten, Beziehung. Existenz im engeren Wortsinn. Das, was auch der Flüchtling vor Augen hat: Sein Leben leben.

Die (politische) Demonstration ist das Gegenteil. Sie bringt den Widerstand auf einen Punkt, ein Motto. Wer das absolut setzt, gibt seinem Leben demonstrativen Charakter: Zu jedem Thema sind Statements, Credos abrufbar. Das berühmte Ein-Wort-Argument aus meinem vorigen Beitrag ist nicht weit. Es entspricht dem Button auf dem T-Shirt, dem erhobenen Schild auf der Demo. Der zum Trichter (wie der des Megaphons), geformte Mund nimmt das im Anschlag gehaltene (Demo-) Motto vorweg.

Durchgehalten, macht diese Reduktion unser Leben zu etwas Demonstrativem. Alles steht für etwas, weist auf etwas hin, (fast) nichts verweist auf mich, mein Für und Wider, meinen durchaus differenzierten, sprich erklärungsbedürftigen, Standpunkt. Dabei ist der doch das Ziel. Ich reduziere mich auf meine Rolle als Demonstrant und statt fruchtbarem Land tut sich vor meinen Augen eine unübersehbare Menge von Menschen auf, die Gleiches und Ähnliches skandieren wie ich.

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