Montag, 20. September 2021
Ist unsere Sprache in Sachen Künstliche Intelligenz zu schwach?
"Warum die künstliche Intelligenz ein großes Dummheits-Problem hat" überschreibt Christian Schiffer seine Auseinandersetzung über die Dummheit der künstlichen Intelligenz im Zündfunk des BR vom 10.09.2021.

Eine Annäherung an K.I. oder A.I., nicht die erste, wie in diesem Blog nachzulesen ist. Es braucht nämlich Annäherungen, sonst laufen wir der binären Ja/Nein-Logik direkt in die Arme. Dagegen ist der philosophische Positivismus, der fordert, sich nur auf 'positive', heisst "tatsächliche, sinnlich wahrnehmbare und überprüfbare Befunde" zu beziehen, ziemlich grob geschnitzt. Positivismus, das war mal ein regelrechtes Schimpfwort. Wenn wir gewusst hätten, dass es noch viel schlimmer kommen kann, dass "wahrnehmbar" und "überprüfbar" als Kriterien ausgespielt haben, es nur noch um richtig und falsch, ja/nein geht!

Aber noch ein Schritt zurück zur Annäherung. Dem dient der Hinweis auf ein Buch über die Moderne von Achatz von Müller:
Dante. Imaginationen der Moderne, 2021
These : Die vormalige Epoche, mal Mittelalter, mal Renaissance genannt, vom Autor aber der permanenten Moderne zugerechnet, sei gar keine Epoche sondern ein Geschichte übergreifender "Diskurs", also Diskursmodus der Moderne. Damit sei sie alles andere als begrenzt oder beendet. Es geht daher um Prinzipielles.

Statt künstlich intelligentes Lernen heisst es auch treffender : Maschinelles Lernen. Ein laut Harald Welzer künstlicher Dummheit nah verwandtes Lernen (https://taz.de/Ethik-in-Zeiten-der-Digitalisierung/!167918/). Schwer zu widerlegen, bildet doch Intelligenz ein Gegensatzpaar gemeinsam mit Dummheit. Ein von seinem Gegenteil gespeister Begriff kann kaum Anspruch auf originäre Substanz erheben, lebt er doch von diesem Kontrast.

Was Ludwig Feuerbach im 19. Jahrhundert für die Religionskritik verkündet, dass nämlich die menschlichen Wünsche nach dem Schönen, Wahren, Guten nicht als eigene erkannt werden, wenn sie als Gebote Gottes über den göttlichen Umweg besondere Souveränität und Autorität gewinnen. Dies bewirkt vergleichbar der Intelligenz-Begriff im 20./21. Jahrhundert: Über den Umweg der nur vage definierten Grösse Intelligenz entsteht Autorität, wie sie sich noch im Begriff der künstlichen Intelligenz anfindet (s.o.).

Der Gipfel der Dummheit: Das Digitale, das sich zum Verteidiger der K.I./A.I. ausgerufen hat, verfügt garnicht über eine eigene Sprache und damit über eigene Kommunikationsfähigkeit. Damit geht ihm die Fähigkeit ab, sich der Wahrheit (oder was ihr am nächsten kommt) wenigstens schrittweise zu nähern. Drollig kommt sich vor, wer es da überhaupt mit Argumentation versucht. Er oder Sie zerschellt am aus 0101-Entscheidungen aufgetürmten binären Barrikaden. Richtig- und Falsch-Bewertungen werden wie Kugeln von Gebetsketten aneinander gereiht und heruntergebetet. Ihr "Dialog"partner hört schon garnicht mehr zu, während Sie noch nach den Schnittstellen für den Kontakt suchen. Während Sie sich noch den Mund fusselig reden, zählt ihr Gesprächspartner schlicht die Richtig- und Falsch-Urteile zusammen, die Richtig-Urteile seien in der Mehrheit, und schließlich mache 2 + 2 immer noch 4, zweifellos, was dagegen?

Gegen diese Zählerei hat das Positivistische, das auf "sinnlich wahrnehmbaren" Fakten beruht, etwas vergleichsweise positives. Wenigstens ist im "positiven" Urteil das Ergebnis selbst nicht inbegriffen. Anders ist es der Fall in der Computerlinguistik, die die (addierten) Sprach-Daten algorithmisch verarbeitet. Vom Algorithmus zur K.I. aber ist es nur ein kleiner Schritt.

Mit Automatisierung hat es ja auch angefangen: Die Textsoftware hat sich jedes Wort gemerkt, gespeichert und somit die Basis gelegt für das, was ?Maschinelles Lernen? genannt wird. Damit aber hebt das Denken in der Blase an, das als "binäres Denken" die Dummheit wesentlich befördert.Während Sie noch nach Argumenten für den Diskurs suchen, der ja die europäische Moderne ausmache, zieht ihr Nicht-Gesprächspartner gerade die Brand-Mauer höher um sich gegen Hacking-Angriffe zu wappnen. Du bist Angreifer, mach dir das klar, dein Gegenüber ist längst in der Verteidigungsposition.

Direkt gegenan wird man nicht kommen. Aber Schlupflöcher und Einfallstore gibts schon: Neukundenansprache, Marketing heissen sie. Die Not ist gross, da hilft alles Tracking wenig, auch wenn von digitaler Seite verkündet wird, der nächste Algorithmus werde es sicher richten. Sicher: Der Glaube daran, dass Widerspruch, Abweichung und andere Geistesblitze Eingang finden in einen ganz besonders einzigartigen Algorithmus ist unausrottbar. Einige Business-Men haben im Gegenteil schon mal beschlossen, nicht länger zu warten, einfach anzufangen und Interessenten persönlich anzusprechen. Nein, keine Avantare, sondern richtige Menschen.

Zurück zum Ausgangspunkt: "Der Begriff der Binären Logik bezeichnet ein bestimmtes Denkmuster, eine bestimmte Art Fragen zu stellen oder Sachverhalte nach richtig oder falsch zu beurteilen. Die implizite Überzeugung, die dieser Art zu denken zugrunde liegt, besteht darin, davon auszugehen, dass es immer nur 2 Möglichkeiten gibt: entweder ? oder. Wir sind in unserer Kultur sehr darauf hinsozialisiert, Sachverhalte in dieses Denkmuster zu pressen." (Binäre Logik in: Verlag Modernes Leben).

Was fehlt? Zur Intelligenz fehlt der Gegencheck, die Falsifizierung, der Zweifel an den eigenen Denkannahmen.