Freitag, 27. März 2015
Freitag, 27. März 2015
Ähnlichkeiten erkenne ich nur, wenn ich Unterschiede sehe. Der Eindruck von Ähnlichkeiten entsteht, wenn ich Merkmale übertrage. Unterschiede erkenne ich, wenn ich Trennendes sehe.

Unterscheidungen werden getroffen, den Unterscheidungen folgen Entscheidungen.
Ihnen folgen Variationen, spielerisches Herumprobieren, Kreativität. Dazu brauche ich Formen und Grenzen, die ich überschreiten kann.

Die Ähnlichkeit, die Analogie, das Wiedererkennen bleibt orientierungslos ohne Grenzen und Formen.
Das "Gefällt mir" bleibt ein konturloses Sammelsurium. Es ist lediglich Anschub-Motivation mehr von sich preiszugeben, in der Hoffnung mehr Informationen zu bekommen.

"Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (Kant), ohne dass man einen Begriff von ihnen hat und Begriffe benötigen Unterscheidungen, Abgrenzungen.
Gerade die Begriffe, die sich entlang meiner Anschauung bilden, entlang der Frage: Wo sehe ich die Unterschiede.

Mache ich Unterschiede
- zwischen einem Wort das gebräuchlich ist, und einem, bei dem man stutzt?
- zwischen einer Geste, die erwartbar ist und einer die aus dem Rahmen fällt?
- zwischen dem Brustton der Überzeugung und den Zwischentönen der Alternativen?
- zwischen der eingängigen Form und der Unregelmässigkeit, dem Haken an der Sache?
- zwischen dem klaren Pro und Contra und der subversiven Reaktion, die noch zu denken gibt, wenn die "Akte bereits geschlossen" ist?

Dagegen erscheinen die sogenannten "grossen" Unterschiede oft als Ersatzhandlungen oder Ersatzentscheidungen, als Ausweichen ins Allgemeine, Grundsätzliche, ideologische Pauschalarrangement. Wer ins Grundsätzliche geht, findet die Unterschiede im Richtig und Falsch, Gut und Böse, Moralisch und Unmoralisch. Ihm steht als Mittel Distanzierung, Verständnis, Stigmatisierung, Unverständnis, Apartheid, Glaubenskrieg zu Verfügung. Kleinere aber elementare Unterschiede sind nicht darunter.

Elementare Unterschiede sind die, die (für mich) unverzichtbar sind und seien sie auch kaum mit blossem Auge erkennbar. Für den Verfolgten macht es einen Unterschied, ob sich die Tür einen Spalt öffnet, gerade genug, um Brot durchzureichen.

Wer die Lücke im Rost erspäht, durch den die Ausgeschlossenen fallen, wird selbst schnell zu einem, der aneckt und auf Unverständnis stösst. Das wiederum hält das Bewusstsein vom Unterschied und der Lücke wach.

Auch in der Werbung, um auch hier aufs Anecken nicht zu verzichten, lassen sich Menschen ansprechen durch den unerwarteten Unterschied, die subversive Botschaft, die es "in sich hat". Ein nettes Kontrastprogramm statt des Wettbewerbs um die Grösse der Pauke und des Skandals, der müde macht statt wach. Dabei ist die Lust nach Unterschieden auch des Konsumenten ungebrochen. Wie anders käme es auch ohne grosse Marktmacht zur Mundpropaganda und zum "Geheimtipp".

Einer regelrechten Kränkung des Werbe-Narziss kommt es gleich, wenn dieser feststellen muss, dass solche Wellen des In-Seins, des Hipp-seins mitunter höher sein können als die eigenhändig aufgesetzte und gesponserte Kampagne.

Keine schlechte Idee auch in der Werbung auf den "kleinen" Unterschied zu setzen, über den man stolpert, wenn schon der nächste Spot läuft. Dass kleine Unterschiede gross sein können, wissen wir auch aus anderen Bereichen. Die Low-Budget-Mittel, die nahezu jedem die Möglichkeit geben, Produkt und Person per Klick populär zu machen, stehen bereit. Es ist eine Überlebensfrage, gerade für viele Agenturen, genau den Unterschied, den Mix zu finden, mit dem man sich in die Konsumenten-Kommunikation einklinken kann.

Mein Eierlikör ist jedenfalls nicht der, bei dem mich lärmiges Hühnergegacker umfängt und ich schon bei der Vorstellung vom staubigen Hühnerhof einen trochenen Hals bekomme, sondern der mit dem kleinen Fuchs, der einen Schluckauf hat. Sogar bis zur Cannes-Rolle hat der es einmal geschafft.