Donnerstag, 26. Februar 2015
Donnerstag, 26. Februar 2015
Abstandhalter.
In der Nacht hat der Mensch manchmal nur die Weite des Sternenhimmels über sich, fühlt sich klein und denkt unwillkürlich an das Grosse, das ihn umgibt, egal wie er es nennt. Oder:
In einem Keller, eingesperrt, seinen Feinden ausgeliefert, in aussichtsloser Lage, macht seine Verlorenheit, dass sich der Mensch das Allesumfassende zum Gegenüber nimmt.

Der Mensch adressiert sich gerade in seiner Unerheblichkeit an das Grosse. Der Mensch: schon ein merkwürdiges Wesen. Er hat Begriff und Empfinden für das Weite, Ferne, Unfassbare und er hat Begriff und Empfinden dafür, dass ihm das Grosse nahe kommt. Eine Nähe, nach der Mensch strebt und die ihm selbst etwas Unnahbares gibt.
Eine Nähe, die ihn der Nähe anderer Menschen, oft eigenmächtig hergestellt, zu entfremden und zu entziehen vermag. Es braucht nicht unbedingt einen Gott dazu, das Nicht-Nachvollziehbare, das im Menschen wurzelt, tut es auch.

In dieser Situation schlägt die Stunde des Spitzels. Spitzel in fremdem oder eigenen Auftrag, die dem sich Entziehenden auf den Leib rücken. Oft in business-liker, offizieller Pose. Hacking, Geheimdienst, heissen die Tarnanstriche, die erst notwendig geworden sind, weil deine Nähe-Sphäre als Bedrohung oder Ressource gesehen wird. Das Neue sind nicht die Fakten sondern das geschäftsmässige Auftreten in quasi amtlicher Funktion. Spitzel-sein ist bürgerlich und Beruf geworden, das unanständige Eckenstehen und Lauschen gegen Bares ist von gestern.
Unvermittelt tauchen sie vor einem auf, können alles, was sich ihnen entzieht einfach nicht aushalten. Je verfügbarer und geregelter ihr Weltbild, umso weniger. Tratsch nennt man es, wenn Gemeinsamkeiten unter den Lästernden im Vordergrund stehen. Denunziation nennt man es, wenn es die vermeintlichen Verursacher und Schuldigen sind. Der allein oder für sich stehende Mensch ruft eine Art fürsorglich spitzelnde Sozialarbeit auf den Plan, der ihn beschützt oder vor ihm schützt. Der Spitzel taucht unvermutet auf, stellt Nähe her, dient sich an, macht sich nützlich, wird dein Lebens-Assistent. Vor allem aber sieht er in dir eine unkalkulierbare Unsicherheitsquelle und das aus einem Grund: Der Grund heisst Macht. Oder:

Auf deinem Lebensweg, legt sich Station für Station, Etappe für Etappe, ein Netz von Begleit-Beziehungen um dich wie eine zweite Haut oder das Datenkleid eines Avatars. Es ist nicht mehr du, der den Schatten wirft, sie sind dein Schatten, auch wenn du dabei gut vorangekommen bist. Du kannst dich deiner beharrlichen Begleiter fast nicht erwehren, wie eine zweite Biografie sind sie dir geworden. Sie recruitieren sich aus der Gruppe, dem Lager, auf dessen Seite du dich rechtzeitig gestellt hast, um bei Entscheidungen an den Weggabelungen nicht ganz auf dich allein gestellt zu sein. Fortan lebst du in ihrer ehrenwerten Gesellschaft, sie bürgen für dich, bieten durch ihre Anwesenheit die Gewähr, dass es bei dir immer "mit rechten Dingen" zugegangen ist, verleihen deinem Auftritt das Honorige und Unzweifelhafte. Das macht die Kompromisse, die du eingegangen bist, um ihre Rückendeckung zu bekommen vergessen. Ab und zu erinnerst du dich noch an die Weite des Sternenhimmels über dir oder daran wieviel Mühe es dich kostet, wenigstens dann und wann die Schwarmnähe durch heftiges Drehen und Wenden auf DIstanz zu bringen, um dir klar zu machen, wieviel Ferne und Fremdheit dem Mensch-sein innewohnt. Eine Fremdheit, eine Ferne, die dich verdächtig macht und sei es aus einem Grund: Der Grund heisst Abhängigkeit.

Der Macht wie der Abhängigkeit zu entrinnen, geht nur durch Raum für die Person und Raum für persönliche Beziehungen, die Macht und Abhängigkeit ausbalancieren. Eine reicht schon.