Donnerstag, 18. Juni 2020
Die Denkmäler fallen
Shakespeare, Churchill, Kant die Denkmäler tragen Blessuren davon, manchen werden umgesaegt, fallen ins Wasser usw. Der Philosoph Kannst wird sich neben dem Verweis auf den Kategorieschein Imperativ fortan die Bemerkung gefallen lassen, er habe leider auch den Begriff Rasse mit in die Welt gesetzt.

Mir fällt Gustav Heinemanns Zitat von 1968 ein, wer mit dem Finger auf Anstifter und Unterer weise, der zeige mit den andern drei Fingern, ob er will oder nicht, auf sich zurück. Das ist ein Bild und es ist eingaengig, deswegen habe ich es nicht vergessen. Und es bietet duem ebenfalls auesserst anschaulich agierendem Zeigefinger angemessen Paroli. Grober Keil für groben Klotz.

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Donnerstag, 4. Juni 2020
Binäre Codes und komplexes Denken (für SEO-Opfer)
Binäre Codes und komplexes Denken von Jakob Tanner (2019)
Ist die Vorlage meiner Zusammenfassung und Reflektion:

Kultureller Reichtum wird runtergebrochen auf binäre Information (93), so die Eingangsthese von Tanner, ein Schweizer emeritierter Professor, der überfällig Aktuelles von sich gibt. Schon der Titel ist angenehm umfassend und grundsätzlich. Das uns meist beschaeftigende Thema SEO ist mit drin, aber nicht darauf beschränkt. Ich weiss: SEO funktioniert auch nur für Suchmaschinen, und da auch nur für bestimmte. Thema und Problem sind aber ungleich grösser, worauf Tanner aufmerksam macht. Dass der kulturelle Reichtum runtergebrochen wird auf die binäre Information, hätte man geahnt, aber hat man es gewusst und so formuliert?

Was man aber ziemlich sicher so nicht gewusst hat: Das Verfahren, alles aber auch alles in binäre Information zu verwandeln selbst ist alinguistisch (aha), dass heisst, selbst nicht linguistisch. Es basiere, so Tanner auf (dem Zählen von) Grundeinheiten (Ngram genannt), wie Worte, Silben usw. Der Korpus, des zur Masse aufgepumpten Untersuchungsgegenstand, ist und bleibt deshalb intransparent (96 ff.). Transparenz könnte nur entstehen, wenn die Untersuchungsinstrumente aus dem gleichen Holz geschnitzt wären wie der Stoff, der untersucht wird, schliesse ich daraus.

Dies „Ausweichen“, so nennt es der Autor, in die Masse sei eine einzige Provokation für jede Sozial- und Geisteswissenschaft und degradiere diese zu einer Form von Echtzeit-Statistik, die simultan nach allen gewünschten und zählbaren Kriterien mitzählt, auszählt und auswertet (98).

Dabei weiss man doch, frei nach dem Historiker Kosseleck und seinem Historischen Lexikon, dass sich gerade an den Trennschärfen Grundbegriffe herstellen wie z.B. an historischen Umbrüchen, mittels derer sich der Geltungsbereich des einen vom Geltungsbereich des anderen Bergriffs absetzen lässt (99).

Erkenntnisgewinn, und damit erreicht Tanner den Gipfel seiner Argumentation, sei aber ausschließlich möglich, wenn der Untersuchungsgegenstand durch wissenschaftliche Analysekriterien (z.B. historische, sprachphilosophische, linguistische ) zunächst theoretisch gefasst, präzisiert und theoretisch fundiert wird, was schlicht das Gegenteil des massenhaften Aufblasens ist.

Hätten Sie das gewusst? Ich hätte nicht gewusst, dass man es so uebersichtlich ausdrücken kann.

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Mittwoch, 3. Juni 2020
Othering
beschreibt den Prozess, sich selbst und sein soziales Image hervorzuheben, indem man Menschen mit anderen Merkmalen als andersartig, „fremd“ klassifiziert. Es findet also eine betonte Unterscheidung und Distanzierung von „den Anderen“ statt, sei es wegen des Geschlechts, der Religions­zugehörigkeit, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der sozialen Stellung innerhalb einer Gesellschaft, wie z. B. der Klassenzugehörigkeit, der Ideologie oder auch vermeintlicher biologischer Unterscheidungskriterien zwischen Menschen (vgl. Rasse bzw. Rassismus).

Soweit die Definition (wiki). Bis zum Rassismus, zur offenen, unumkehrbaren Abwertung braucht man gar nicht gehen. Wenn sich zwei Dörfer oder Familien in den Haaren liegen, hat man dengleichen Effekt: Die von Dingsda gegen die von Jenesda. Der Charm: Dieses Othering ist jedenfalls umkehrbar. Das Arbeiten mit, besser das Herstellen von Unterschieden, auch wo keine sind, gehört zum Sehen und „Scharfstellen des Objektivs“ des Menschen.

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