Mittwoch, 14. August 2019
3 Grundsätze meines Lebens
1. Fluechtling sein.
Fluechtlinge, auch die in meiner Ahnengalerie, fliehen vor etwas oder jemandem, daher nehmen sie und ich mit ihnen die neue Freiheit viel bewusster wahr.

2. Normal sein.
Seine Privilegien zurückzunehmen, stände gerade den freien, z.B. den literarischen Geistern, gut an. Die linken und freien Promis der Weimarer Republik mit ihren Datschen und Häusern sind ein warnendes Beispiel. Es finden sich nicht viele Normalos, wie du und ich, die ihnen zuhören, wenn es hart auf hart kommt.

3. Individuum sein.
Individualität ist mir wichtiger denn je, definiert sich aber heute etwas anders. Weder als provinzielles Verpeiltsein, wie in feudalen Flächenstaaten, noch als störrische Eigenwilligkeit im angebots-orientierten Kapitalismus, sondern als Widerstand gegen ein Auf-digitale-Linie-gebracht-werden. Dies geschieht unmerklich und mit sanftem Druck. Z.B. via unnötige digitale Zumutungen tagtäglich, z.B. via unmittelbar als social-credits wirksamen Erleichterungen. Die Lenkung der Massen geschieht heute bei uns weniger per rohe Gewalt wie in monarchischen Gesellschaften, weniger per ideologischem Gleichschritt der Massen wie in industriellen Gesellschaften sondern per Feintuning des Einzelnen, der denkt, die Computersteuerung seines Lebens in der Hand zu halten.


Auch hier gehe ich zurück zum Zitat Welzers: Durch bestimmte Begriffe würden Probleme auf Distanz gehalten (12.06.). Wer mit diesen arbeitet, übernimmt die Distanzen, Abstraktionen, die in ihnen liegen. Ich nenne sie daher Distanz-Begriffe.

Digitale Gesellschaft ist einer von ihnen. Ich will näher rangehen. Dann stosse ich auf Widersprüche, die solche Distanz-Begriffe aufbrechen. Ich lande beim "untypischen" Einzelfall, bei mir.

Ich lande bei der Freiheit des Flüchtlings, bei einem Normal-sein, das die Demokratie stützt, bei einem Individuum, das sich der digitalen schleichenden Entmündigung widersetzt. So untypisch vielleicht doch nicht. Das erweist sich, wenn ich einen Schritt weiter weggehe. Dann lande ich bei den Menschenrechten, die man nicht von ungefähr auch die allgemeinen nennt. Philosophen, Naturwissenschaftler, Anthropologen sprechen von d e m M e n s c h e n. Dem positiven Meta-Begriff steht aktuell der ins Negative gewendete gegenüber: Alle Russen, alle Banker, alle Männer.

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Freitag, 9. August 2019
Kommunikation in Zeiten der Blasen
Was man nicht selbst kann oder machen will, lässt man machen. Vor allem das, was vorher aus der Theorie und der Praxis ausgeschlossen worden war. Aber einer /eine muss das ja tun. Also lässt man es tun, obwohl es nicht zum Selbstverständnis gehört. So kam die Hierarchie wieder in die Arbeit.

So selbstverständlich war das nicht. Sie kamen von unten, Freaks nicht selten. Hirarchien waren ihnen wurscht. Sie konnten mit ihren Softwares viel mehr als ihnen zugestanden. Marketing zum Beispiel konnten sie auch. So straften sie die Arbeitsplatzbesitzer Lügen. Eine nach der anderen.

Das aus der Arbeit entfernte Andere, das ausserhalb der Blase, das Analoge z.B. das Persönliche, das Analoge also ist nicht weg, es ist nur woanders. Zum Beispiel sammelt es sich in eigenen Blasen. Da steigen sie nun auf, jede für sich, jede eine kleine Mini-Welt. Es gibt nun drei Möglichkeiten:

1. Die Blase platzt. Die andern steigen weiter ungerührt auf ohne den ungeliebten Nachbarn
2. Eine der Blasen beansprucht mehr oder weniger offen Alleinvertretungsanspruch
3. Widerspruch kommt erst leise dann laut.

Entscheidend aber ist: Die Arbeit macht sich nicht von allein. Einer oder eine muss sie machen. Und tatsächlich ist es erstmal nur eine, etwas seltener einer. Es gibt sie noch: Die Sekretärinnen, die Transporteure, die Telefonierer: Agenten des Analogen. Was vorher den Digitalen nutzte, nützt nun den Analogen: Der Markt, das was sich rechnet. So kommt das Analoge von neuem in die Arbeit. Und diesmal durch die Vordertür. Als eigenständiger Wert. Allerdings mit dem Unterschied. Es sind nun mindestens zwei Blasen ins Spiel. Und es regen sich noch weitere. Blasen können lange verborgen sein, bevor sie aufsteigen. Widerspruch, Wettbewerb, Reiberei ist angesagt. So wollten wir es ja.

Die Liebe zur Zahl kam uns zur Hilfe. Die vornehmste Zahl ist der Preis. Und damit der Vergleich. Der Zahlen natürlich. Spezialität der IT-Spezialisten. Zahlen für die Anzahl der Klicks, die Anzahl der Kontakte, die "Qualität" der Kontakte. Und da erscheint immer wieder ein Ergebnis: Diversität gewinnt.

Die Diversität der Geschlechter, die Diversität der Qualifikationen, die Diversität der Alters. Mitunter ein schmerzhafter Prozess. Einäugigkeit ade. Eine Erkenntnis: Nicht nur, was sich rechnet, rechnet sich. Um zu wissen, was sich rechnet, muss man es tun. An dieser Schnittstelle operiere ich. Ich nenne es Kommunikation.

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Montag, 5. August 2019
Wie man Potentiale entdeckt
Bezüglich der Muster mit denen wir unser Leben und unser Potential bewerten, haben wir uns angewöhnt vom Erfolg und Scheitern, miss- oder gelungenem (!) Leben, von Tragik, Drama etc. zu sprechen. Vokabeln aus der philosophischen, religiösen, lebenspraktischen Tradition. In Bezug auf unser Leben benutzen wir Begriffe aus Beruf, Sport, Theater, nicht zuletzt: story telling.

Dagegen: Sinn ist individuell und das Leben vermittelt sich nur individuell. Unsere Begriffe von Erfolg und Misserfolg, Zeit und Entwicklung passen da nicht. Bis zum ersten Umdenken kann ein ganzes Leben liegen.

Das noch nicht geweckte Potential macht auf sich aufmerksam durch Unzufriedenheit, durch Ahnung, durch das, was zu denken gibt, was also unerklärbar nachhaltige Wirkung hat. Warum, weiss man oft gar nicht. Potential ist a) auf persönlicher Ebene das bisher ausgeblendete b) auf der Ebene von Gesellschaft das nicht-wahrgenommene, für das es noch gar keinen Begriff gibt. Zögernd erst hebt sich das Potential ins Bewusstsein: Durch Zufälle, Ungereimtheiten, Verhalte, die keinen Sinn machen. Bis sich Umrisse und Zusammenhänge eines bisher unbekannten Potentials heraus kristallisieren. Potential wird von uns zu gern assoziiert mit harmonischer Entfaltung. Vor diesem Paradies steht aber der Erzengel der Gewohnheit, der Blamage-Angst, der uns den Zugang versperrt bis wir die Pforte stürmen.

Neue Potentiale machen Sinn: Alle Zeichen stehen in Richtung einer modular aufgebauten, sinnhaften Bildungslandschaft. Alte Berufskonturen lösen sich auf, neue Qualifikationen, wie die digitale, etablieren sich als Querschnittkompetenz. Man braucht sich ja nur anschauen, wer da mit einem in der Hardware- oder Software-Firma zusammensitzt: Da sitzt der PC Freak von einst neben dem Betriebswirtschaftler neben dem Designer neben dem Informatiker usw. Eine Menge Potential, der nur eins not tut: Kreativ kombinieren und kommunizieren.

Was folgt daraus? Potential liegt gleich nebenan. Nur einen Klick weiter, eine Tür weiter. Potential ist interdisziplinär, durchdringt und verschränkt sich. Wer Menschen heute ausbildet, muss fest mit dem Potential rechnen, mit dem, was man noch nicht sieht. Ohne Potential ist Bildung blind, Ausbildung perspektivlos.

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