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Samstag, 5. Februar 2022
Stalin und ich
kuehnesmallworld, 18:34h
Anlass ist eine Notiz im Dlf über den Architekt Herrmann Henselmann, einen notgedrungen Zeitgenossen Stalins:
Hatte er bisher Goethes Diktum ?Das Gleiche lässt uns in Ruhe, der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht?,
als Leitwort verwendet, um die Moderne als Endpunkt einer Entwicklung des Humanismus zu feiern, war dieser Endpunkt nun die klassizistische Tradition preußischer Prägung. In der Praxis rehabilitierte er sich mit einem entsprechenden Bau: dem Hochhaus an der Weberwiese, es wurde die Keimzelle der Stalinallee. Er war ihnen eben über, den Genossen, das ärgerte sie ja so:.. . (https://www.deutschlandfunk.de/biografie-der-ddr-architekt-hermann-henselmann-und-die-100.html).
Was kann der Mensch daraus lernen? Es kommt auf den Interpretationsrahmen an. Mal war die Moderne Teil der (dialektischen) Entwicklung, mal ihr Endpunkt (?preussischer Prägung?). Er ?war Ihnen eben über?, heisst es daher halb resignierend halb lapidar.
IEr war auch meinem Onkel ?über?, von dem es hiess, er sei denunziert worden, weil er im Westen Berlins Nägel besorgt habe, um das Plansoll (schoenes, weil wahres Wort) der Stalinallee zu schaffen. Inhalt/Form der Denunziation zeigt: Er war Fussvolk. Und, darin sehe ich eine familäre Parallele: Im?über?eifrig sein.
Das Unter muss durch das ?Über? getoppt werden. Jetzt überlege ich, ob sich hinter der Nagelgeschichte eventuell eine Abweichungsgeschichte verbirgt. Danach jedenfalls war mein Onkel mundtot. Es wäre nicht das erste Mal, dass einer oder eine vom Widerstand gegen Hergebrachtes und Existentes so erschöpft waren, dass sie es nicht mehr schafften, einen Irrtum einzugestehen. Jedenfalls wurde der Kommunist in unserer Familie zum Katalysator in rechts und links. Aber nur dank seiner Erstarrung.
Und was kann der Mensch noch daraus lernen?
Dass man nicht nur ?für? sondern vom Leben lernt. Und dass dieses Leben, hier Architektur und Bau, auf Geheiss von Diktatoren, viel pädagogischer ist als das beste Programm der Lernschritte. Und damit wäre man wieder beim ?produktiv? machenden Widerspruch. Produktionsverhältnisse, von und in denen der Mensch lernen kann, wesentlich lernen kann.
Dass Henselmann als labiler Bohemien bekrittelt wurde, war das mindeste, was man einem socalled Halbjuden schuldig war.
Wolf Biermann sang in seinem Lied Acht Argumente für die Beibehaltung des Namens Stalinallee für die Stalinallee 1972: ?Und Henselmann kriegte Haue / Damit er die Straße baut / Und weil er sie dann gebaut hat / Hat man ihn wieder verhaut?.
Mir begegnet das Leben nicht zuletzt im Dlf, in den Nachrichten, im Vermischten, in der Kultur, in dem Erinnerten. Eine bunte Mischung. Heute war Jahrestag der Stalinallee.
Hatte er bisher Goethes Diktum ?Das Gleiche lässt uns in Ruhe, der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht?,
als Leitwort verwendet, um die Moderne als Endpunkt einer Entwicklung des Humanismus zu feiern, war dieser Endpunkt nun die klassizistische Tradition preußischer Prägung. In der Praxis rehabilitierte er sich mit einem entsprechenden Bau: dem Hochhaus an der Weberwiese, es wurde die Keimzelle der Stalinallee. Er war ihnen eben über, den Genossen, das ärgerte sie ja so:.. . (https://www.deutschlandfunk.de/biografie-der-ddr-architekt-hermann-henselmann-und-die-100.html).
Was kann der Mensch daraus lernen? Es kommt auf den Interpretationsrahmen an. Mal war die Moderne Teil der (dialektischen) Entwicklung, mal ihr Endpunkt (?preussischer Prägung?). Er ?war Ihnen eben über?, heisst es daher halb resignierend halb lapidar.
IEr war auch meinem Onkel ?über?, von dem es hiess, er sei denunziert worden, weil er im Westen Berlins Nägel besorgt habe, um das Plansoll (schoenes, weil wahres Wort) der Stalinallee zu schaffen. Inhalt/Form der Denunziation zeigt: Er war Fussvolk. Und, darin sehe ich eine familäre Parallele: Im?über?eifrig sein.
Das Unter muss durch das ?Über? getoppt werden. Jetzt überlege ich, ob sich hinter der Nagelgeschichte eventuell eine Abweichungsgeschichte verbirgt. Danach jedenfalls war mein Onkel mundtot. Es wäre nicht das erste Mal, dass einer oder eine vom Widerstand gegen Hergebrachtes und Existentes so erschöpft waren, dass sie es nicht mehr schafften, einen Irrtum einzugestehen. Jedenfalls wurde der Kommunist in unserer Familie zum Katalysator in rechts und links. Aber nur dank seiner Erstarrung.
Und was kann der Mensch noch daraus lernen?
Dass man nicht nur ?für? sondern vom Leben lernt. Und dass dieses Leben, hier Architektur und Bau, auf Geheiss von Diktatoren, viel pädagogischer ist als das beste Programm der Lernschritte. Und damit wäre man wieder beim ?produktiv? machenden Widerspruch. Produktionsverhältnisse, von und in denen der Mensch lernen kann, wesentlich lernen kann.
Dass Henselmann als labiler Bohemien bekrittelt wurde, war das mindeste, was man einem socalled Halbjuden schuldig war.
Wolf Biermann sang in seinem Lied Acht Argumente für die Beibehaltung des Namens Stalinallee für die Stalinallee 1972: ?Und Henselmann kriegte Haue / Damit er die Straße baut / Und weil er sie dann gebaut hat / Hat man ihn wieder verhaut?.
Mir begegnet das Leben nicht zuletzt im Dlf, in den Nachrichten, im Vermischten, in der Kultur, in dem Erinnerten. Eine bunte Mischung. Heute war Jahrestag der Stalinallee.
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