Mittwoch, 28. November 2018
Kein Schatten
Adelbert von Chamisso, dem wir die Geschichte vom schattenlosen Schlemihl (1813) verdanken, war ein Naturforscher, der sich auf diese Weise auch seine nimmerruhende naturwisschaftliche Neugier erklärt hat: was man sucht, sucht man woanders.

Eine merkwürdige Schattenlosigkeit hat nach meinem Eindruck heute viele Menschen befallen. Da stehen gestandene Vierzigjährige vor mir und ich habe den Eindruck, eine, die erwachsene Hälfte fehlt, es steht nur eine, die jugendlichere Hälfte vor mir: Halbe Portionen, denen der Schatten fehlt.

Schatten fallen auf einen durch die pure Masse des Auftretens, durch Flecken auf der weißen Weste, durch die (andere) Vergangenheit, die (andere) Herkunft. Heute steckt die andere Hälfte in der digitalen, der virtuellen Welt: Die Phantasien, die Träume, das Gestrige, denn das Digitale, das nicht vergisst, schluckt auch das menschliche Erinnern, man könnte auch sagen, die Seele.

Verweigert man den Ausverkauf der Seele, gibt’s dafür die Liebesfähigkeit zurück.

PS: von Chamisso war als Franzose der preußischen Armee nicht würdig befunden

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