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Mittwoch, 1. August 2018
Der Fake von heute ist die Lüge von gestern
kuehnesmallworld, 13:09h
Es ist wieder an der Zeit, sich mit Vaclav Havel zu beschäftigen. Denn Vaclav Havel hat sich mit der Lüge in seiner Gesellschaft beschäftigt. Und der Fake von heute nimmt es mit der Lüge von gestern allemal auf. Havel berichtet u.a. über einen Brauerei-Fachmann, der den Pfusch in der Brauerei aufdeckt und dabei auf die Ablehnung eines vorgesetzten Experten stösst, der seine Analyse als unqualifizierte Schmähung abtut:
„Die Analyse von Sch. wurde als ‚Schmähschrift‘ bezeichnet, Sch. zum politischen Schädling gestempelt. Er wurde aus unserer Brauerei herausgeschmissen und in eine andere versetzt, zur unqualifizierten Arbeit. Dadurch, daß er die Wahrheit sagte, hat sich Sch. ‚ausgeschlossen‘. Er hat die Spielregeln verletzt und endete als ‚Bürger der minderen Kategorie‘, mit dem Kainszeichen auf der Stirn. Zum "Dissidenten" wird also der Mensch nicht dadurch, daß er sich eines Tages für diese eigenartige Karriere entscheidet, sondern dadurch, daß sein Verantwortungsgefühl, kombiniert mit einem ganzen Komplex von äußeren Umständen, einfach in diese Stellung stürzt.“ (Vaclav Havel über seine Veröffentlichung Versuch in der Wahrheit zu leben, Reinbeck in: Dauernde Vergewaltigung der Gesellschaft, Der Spiegel 1980)
Es war ja sein Bier. Als Brauerei-Fachmann war er nah dran. Nah an der Herstellung, nah an den Zutaten, nah am Geschmack, nah an den zufriedenen Gesichtern der Konsumenten. Für den "Experten" dagegen zählten Einsparungen, Formeln für effiziente Betriebsführung,, schliesslich seine eigene Karriere. Heute ist Industrie 4.0 das Bier, das man uns einschenkt: 4.0 ist ein „aus der Luft gegriffenes“ Marketing-Wort. Ob es wirkt oder nicht, wird spätestens der Kunde und Anwender merken. Aber dann sind wir schon lange bei 5.0, 6.0, 7.0 … . Oder wie es ein Münchner Professor kürzlich formuliert hat: Nach 2.0 kommt erstmal 2.1, 2.2, 2.3 undsoweiter, wenn es nach rechten Dingen zugeht.
Das ist keine pessimistische Krittelei, das ist Kritik an den Luftnummern. Im Volk erzählt man sich die Geschichte vom Hans Guck-in-die-Luft des Frankfurter Psychiaters Heinrich Hoffmann, 1844 zuerst im Struwwelpeter gesammelt: „Vor die eigenen Füsse nicht ja da sah der Bursche nicht .. .“ Hätte er hingesehen, hätte er gesehen, was analog vor seinen Füssen lag. Völlig ausreichend, um böse zu stolpern.
Im ob seiner „reaktionären“ Erziehungsideologie von 68er-Studenten geschmähten langhaarigen und langnägeligen Struwwelpeter findet sich das Gegennarrativ, das es mit dem Narrativ des Fortschritts, der nicht rechts und lnks sieht, aufnehmen kann: Dabei wird nicht ausgeklammert, was für viele nur Begleiterscheinung ist: Die Schmähung.
Die Schmähung zieht sich als roter Faden durch die Geschichte der Lüge, des Fake, aber auch seiner Gegner. Die Schmähungen sind viel älter sind als die digitale Welt. In den Charts der Schmähungen, Ironisierungen, Satiren über Fortschritt und Zukunft sind zu nennen: Die schöne neue Welt (Huxley), die beste aller Welten (Voltaire) sowie eines ihrer Vorbilder, die idealistische gotteststaatliche Welt der Jesuiten in Paraguay. Heute fangen die Schmähungen beim Alter an und hören beim Verwenden von Papier lang noch nicht auf. Gar nicht abwertend, kränkend und ungerecht genug können sie sein. Schmähungen sind Teil der Strategie. Im luftigen Stechschritt gehts geradewegs gegen jede Art von Wahrheit, weil diese nur hinderlich ist.
Schmähung braucht Herabsetzung, weil sie befürchtet, sich der Auseinandersetzung stellen zu müssen und zu unterliegen. So gefährdet sieht sie sich. Neu ist daran gar nichts. Weder für die Schmäher noch die Geschmähten. Für die Geschmähten ist es Gegenwehr, die Schmäher dagegen greifen zur Diktatur. Und das ist ganz und gar nichts neues. Diktaturen sind so. Sie diktieren ihre Wahrheit, weil sie sich nicht abbringen lassen wollen vom Morgen, von der Zukunft, von dem, was morgen zählt und zu dem sie morgen zählen. Das wird man morgen schon einsehen. Bis dahin brauchts Diktatur. Keine linke oder rechte Diktatur in erster Linie, sondern eine Diktatur des Denkens. Eine Diktatur, die sich mit Richtig und Falsch ausserordentlich gut versteht.
.
Digitale „Natives“ nennen sie sich ebenso eingebildet wie falsch und setzen damit nicht die letzte Lüge in die Welt. Digitale „Analphabeten“ nennen sie ihre Widersacher. In lächerlicher Umkehrung erklären sich die Kolonisatoren selbst zu Ureinwohnern. Dabei ist das Alphabet ihnen nur Anlass, ihre „binäre“ Philosophie des Richtig und Falsch andern rot anzukreiden, schon damits die Suchmaschine findet. Ihr Hang zur
Orthographie ist digital begründet. Was Sprache sonst noch transportiert an Einsicht und Übersicht, interessiert sie nicht.
Auch hier: Nichts neues. Dass Politik keine Rechtfertigung, Legitimierung braucht, sondern aus sich heraus Fakten schafft, hat der rechte Rechtstheoretiker Carl Schmitt (1888-1985) schon lange vertreten. Liberale, Liberalismus und Demokratie standen für ihn auf der anderen Seite der Gegner. Die Begründungs- und Erklärungsaskese wird geradezu zum Merkmal dieser Art von Theorie. Auch nichts neues. Rechts wie links. Dass die Diktatur des Proletariats nur Zwischenschritt sei auf dem Wege zum Kommunismus, der dann Befreiung für alle bringe, meinten auch die Führer im real existierenden Sozialismus. So hiess die Virtual Reality, die Brille, die die Menschen aufhatten, früher. Allen Ernstes hielten sie das Retuschieren von Fotos und das Wegretuschieren von Menschen für Schritte auf dem Weg in die Zukunft des Kommunismus und ihre Wahrheit. Und damit sind wir wieder bei der Lüge und der Wahrheit des Vaclav Havel.
Heute, 30 Jahre später und kein bisschen weiser richtet sich der Stechschritt der Lüge gegen solides Handwerk, begründetes Denken, belastbare Wissenschaft. Deswegen wird der luftige Hans auch diesmal auf die Schnauze fallen. Deswegen werden wir uns Satire und Ironie und Schmähung auch gönnen und uns lustig machen über Besserwisser, die nicht wissen, was sie wissen könnten.
„Die Analyse von Sch. wurde als ‚Schmähschrift‘ bezeichnet, Sch. zum politischen Schädling gestempelt. Er wurde aus unserer Brauerei herausgeschmissen und in eine andere versetzt, zur unqualifizierten Arbeit. Dadurch, daß er die Wahrheit sagte, hat sich Sch. ‚ausgeschlossen‘. Er hat die Spielregeln verletzt und endete als ‚Bürger der minderen Kategorie‘, mit dem Kainszeichen auf der Stirn. Zum "Dissidenten" wird also der Mensch nicht dadurch, daß er sich eines Tages für diese eigenartige Karriere entscheidet, sondern dadurch, daß sein Verantwortungsgefühl, kombiniert mit einem ganzen Komplex von äußeren Umständen, einfach in diese Stellung stürzt.“ (Vaclav Havel über seine Veröffentlichung Versuch in der Wahrheit zu leben, Reinbeck in: Dauernde Vergewaltigung der Gesellschaft, Der Spiegel 1980)
Es war ja sein Bier. Als Brauerei-Fachmann war er nah dran. Nah an der Herstellung, nah an den Zutaten, nah am Geschmack, nah an den zufriedenen Gesichtern der Konsumenten. Für den "Experten" dagegen zählten Einsparungen, Formeln für effiziente Betriebsführung,, schliesslich seine eigene Karriere. Heute ist Industrie 4.0 das Bier, das man uns einschenkt: 4.0 ist ein „aus der Luft gegriffenes“ Marketing-Wort. Ob es wirkt oder nicht, wird spätestens der Kunde und Anwender merken. Aber dann sind wir schon lange bei 5.0, 6.0, 7.0 … . Oder wie es ein Münchner Professor kürzlich formuliert hat: Nach 2.0 kommt erstmal 2.1, 2.2, 2.3 undsoweiter, wenn es nach rechten Dingen zugeht.
Das ist keine pessimistische Krittelei, das ist Kritik an den Luftnummern. Im Volk erzählt man sich die Geschichte vom Hans Guck-in-die-Luft des Frankfurter Psychiaters Heinrich Hoffmann, 1844 zuerst im Struwwelpeter gesammelt: „Vor die eigenen Füsse nicht ja da sah der Bursche nicht .. .“ Hätte er hingesehen, hätte er gesehen, was analog vor seinen Füssen lag. Völlig ausreichend, um böse zu stolpern.
Im ob seiner „reaktionären“ Erziehungsideologie von 68er-Studenten geschmähten langhaarigen und langnägeligen Struwwelpeter findet sich das Gegennarrativ, das es mit dem Narrativ des Fortschritts, der nicht rechts und lnks sieht, aufnehmen kann: Dabei wird nicht ausgeklammert, was für viele nur Begleiterscheinung ist: Die Schmähung.
Die Schmähung zieht sich als roter Faden durch die Geschichte der Lüge, des Fake, aber auch seiner Gegner. Die Schmähungen sind viel älter sind als die digitale Welt. In den Charts der Schmähungen, Ironisierungen, Satiren über Fortschritt und Zukunft sind zu nennen: Die schöne neue Welt (Huxley), die beste aller Welten (Voltaire) sowie eines ihrer Vorbilder, die idealistische gotteststaatliche Welt der Jesuiten in Paraguay. Heute fangen die Schmähungen beim Alter an und hören beim Verwenden von Papier lang noch nicht auf. Gar nicht abwertend, kränkend und ungerecht genug können sie sein. Schmähungen sind Teil der Strategie. Im luftigen Stechschritt gehts geradewegs gegen jede Art von Wahrheit, weil diese nur hinderlich ist.
Schmähung braucht Herabsetzung, weil sie befürchtet, sich der Auseinandersetzung stellen zu müssen und zu unterliegen. So gefährdet sieht sie sich. Neu ist daran gar nichts. Weder für die Schmäher noch die Geschmähten. Für die Geschmähten ist es Gegenwehr, die Schmäher dagegen greifen zur Diktatur. Und das ist ganz und gar nichts neues. Diktaturen sind so. Sie diktieren ihre Wahrheit, weil sie sich nicht abbringen lassen wollen vom Morgen, von der Zukunft, von dem, was morgen zählt und zu dem sie morgen zählen. Das wird man morgen schon einsehen. Bis dahin brauchts Diktatur. Keine linke oder rechte Diktatur in erster Linie, sondern eine Diktatur des Denkens. Eine Diktatur, die sich mit Richtig und Falsch ausserordentlich gut versteht.
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Digitale „Natives“ nennen sie sich ebenso eingebildet wie falsch und setzen damit nicht die letzte Lüge in die Welt. Digitale „Analphabeten“ nennen sie ihre Widersacher. In lächerlicher Umkehrung erklären sich die Kolonisatoren selbst zu Ureinwohnern. Dabei ist das Alphabet ihnen nur Anlass, ihre „binäre“ Philosophie des Richtig und Falsch andern rot anzukreiden, schon damits die Suchmaschine findet. Ihr Hang zur
Orthographie ist digital begründet. Was Sprache sonst noch transportiert an Einsicht und Übersicht, interessiert sie nicht.
Auch hier: Nichts neues. Dass Politik keine Rechtfertigung, Legitimierung braucht, sondern aus sich heraus Fakten schafft, hat der rechte Rechtstheoretiker Carl Schmitt (1888-1985) schon lange vertreten. Liberale, Liberalismus und Demokratie standen für ihn auf der anderen Seite der Gegner. Die Begründungs- und Erklärungsaskese wird geradezu zum Merkmal dieser Art von Theorie. Auch nichts neues. Rechts wie links. Dass die Diktatur des Proletariats nur Zwischenschritt sei auf dem Wege zum Kommunismus, der dann Befreiung für alle bringe, meinten auch die Führer im real existierenden Sozialismus. So hiess die Virtual Reality, die Brille, die die Menschen aufhatten, früher. Allen Ernstes hielten sie das Retuschieren von Fotos und das Wegretuschieren von Menschen für Schritte auf dem Weg in die Zukunft des Kommunismus und ihre Wahrheit. Und damit sind wir wieder bei der Lüge und der Wahrheit des Vaclav Havel.
Heute, 30 Jahre später und kein bisschen weiser richtet sich der Stechschritt der Lüge gegen solides Handwerk, begründetes Denken, belastbare Wissenschaft. Deswegen wird der luftige Hans auch diesmal auf die Schnauze fallen. Deswegen werden wir uns Satire und Ironie und Schmähung auch gönnen und uns lustig machen über Besserwisser, die nicht wissen, was sie wissen könnten.
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