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Donnerstag, 24. September 2015
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kuehnesmallworld, 09:38h
Bilder machen Deutung (Teil II)
Tagesfrisch auf den Tisch: Das Software-Betrugsdesaster von VW bei den Abgaswerten:
Spontanreaktion: Alles Betrüger; es geht nur ums Geld (Bild: Geldsack, Wort: Betrug).
Zweitreaktion: Sind die „da oben“ dumm! (Bild: dummer Bonze, Wort: „oben“).
Beide Deutungen stellen unmittelbare Verbindungen her, aber die entscheidende Frage ist: Ist das überhaupt nachvollziehbar, das, was so unglaublich klingt, nämlich Betrügerei und Betrugsabsicht angesichts der Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung und der Höhe des Schadens. Ist es nicht, aber die Schnellschuss-Deutung soll dies Unglaublichkeit überspielen, uns gar nicht erst ins Grübeln kommen lassen. Ausserdem gäbe es dafür längst nicht so eingängige Bilder.
Mit der unverzüglichen Deutung steht auf Seiten der Gewinner, der Durchblicker, ohne aber dafür verantwortlich gemacht werden zu können. Hinterher
immer zur Stelle mit der Erklärung, warum etwas so ist, wie es kommen musste und vorher nie in der Lage, vorherzusagen, warum es so und nicht anders kam. Dies macht die Deutung zu Teilhabern und Verbündeten der Angst und der Verleumdung. Deutungen sind die Zivilisationsfolger der Macht. Ich rede hier nicht selteneren Fällen das Wort, in denen Deutungen das Spektrum öffnen hin zum ganzen Spektrum der Möglichkeiten, sondern den häufigeren Fällen, in denen Deutung eine Version nahelegt und damit die Tür der Erwägungen schliesst.
Der Ablauf, das Kurzschlüssige der Deutung trotz der nachdenklichen Pose, die Rodins Denker alle Ehre macht, macht uns hilf- und wehrlos. Selbst dann, wenn Gegenbilder und -strategien zur Hand sind. An diese sind wir dann nicht selten genauso gebunden, wie an die auslösenden Deutungen und Bilder. Das sei dem gesagt, der sich fragt, warum er denn so überzeugt und fraglos anderer, gegenteiliger Meinung sei. So stehen wir denn im Nachhinein immer wieder völlig verständnislos unserer Zustimmung oder Ablehnung von gestern gegenüber, können sie beim besten Willen nicht nachvollziehen. Und greifen zur nächsten Deutung wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm. Verzweifeln vor lauter Zweifel, Ertrinken im Meer nicht mehr zu erkennenden Sinns, das wäre schlimmer als ein brüchiges Floss zusammen gezimmert aus den Resten des letzten Schiffbruchs.
Diese Hilf- und Wehrlosigkeit ist es, die uns, so meine Deutung, im Bild vom ertrunkenen Jungen am Strand am meisten schachmatt setzt. Eine Deutung, die ich vergleichsweise guten Gewissens über die Lippen bringe, weil meine inneren Bilder dies abnicken und ich selbst dadurch ein Stück weiter an mich selbst herankomme, ohne dass ich mich unbehaglich fühle in einer Deutungsrüstung von der Stange, die zwickt und zwackt.Hilf- und Wehrlosigkeit hat ja etwas von Loslassen, aber hier ist der richtige Zeitpunkt für Angst schon verpasst, liegt hinter einem. Man hört noch das leise Klickern der Steine in den Wellen aber das wars.
Will ich die eine Deutung durch eine andere, angemessenere ablösen, wirds die Vernuft allein nicht richten, es braucht andere, treffendere Bilder und Vorstellungen, um Vor-Urteile sich buchstäblich in
„in Luft auflösen“ zu lassen. Das tun sie nämlich, auch unverzüglich. Der Rassismus der Hautfarbe verblasst just in dem Moment, in dem mein Leben vom Charakter des Betreffenden abhängt. Nein, nicht der so gern zelebrierte zähe Kampf gegen das Vorurteil, sondern das angemessenere Urteil macht das Vor-Urteil überflüssig.
Bis dahin jagt uns die Deutung von einer Schreckensvision in die andere, herrschen Gerüchte und Bilder, fegen Shitstorms über die Szenerie. Sie standen schon vor den Häusern, bereit zum Progrom, zum Steinwurf, herbeigerufen von den Medien, die wir die „sozialen“ nennen.
Tagesfrisch auf den Tisch: Das Software-Betrugsdesaster von VW bei den Abgaswerten:
Spontanreaktion: Alles Betrüger; es geht nur ums Geld (Bild: Geldsack, Wort: Betrug).
Zweitreaktion: Sind die „da oben“ dumm! (Bild: dummer Bonze, Wort: „oben“).
Beide Deutungen stellen unmittelbare Verbindungen her, aber die entscheidende Frage ist: Ist das überhaupt nachvollziehbar, das, was so unglaublich klingt, nämlich Betrügerei und Betrugsabsicht angesichts der Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung und der Höhe des Schadens. Ist es nicht, aber die Schnellschuss-Deutung soll dies Unglaublichkeit überspielen, uns gar nicht erst ins Grübeln kommen lassen. Ausserdem gäbe es dafür längst nicht so eingängige Bilder.
Mit der unverzüglichen Deutung steht auf Seiten der Gewinner, der Durchblicker, ohne aber dafür verantwortlich gemacht werden zu können. Hinterher
immer zur Stelle mit der Erklärung, warum etwas so ist, wie es kommen musste und vorher nie in der Lage, vorherzusagen, warum es so und nicht anders kam. Dies macht die Deutung zu Teilhabern und Verbündeten der Angst und der Verleumdung. Deutungen sind die Zivilisationsfolger der Macht. Ich rede hier nicht selteneren Fällen das Wort, in denen Deutungen das Spektrum öffnen hin zum ganzen Spektrum der Möglichkeiten, sondern den häufigeren Fällen, in denen Deutung eine Version nahelegt und damit die Tür der Erwägungen schliesst.
Der Ablauf, das Kurzschlüssige der Deutung trotz der nachdenklichen Pose, die Rodins Denker alle Ehre macht, macht uns hilf- und wehrlos. Selbst dann, wenn Gegenbilder und -strategien zur Hand sind. An diese sind wir dann nicht selten genauso gebunden, wie an die auslösenden Deutungen und Bilder. Das sei dem gesagt, der sich fragt, warum er denn so überzeugt und fraglos anderer, gegenteiliger Meinung sei. So stehen wir denn im Nachhinein immer wieder völlig verständnislos unserer Zustimmung oder Ablehnung von gestern gegenüber, können sie beim besten Willen nicht nachvollziehen. Und greifen zur nächsten Deutung wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm. Verzweifeln vor lauter Zweifel, Ertrinken im Meer nicht mehr zu erkennenden Sinns, das wäre schlimmer als ein brüchiges Floss zusammen gezimmert aus den Resten des letzten Schiffbruchs.
Diese Hilf- und Wehrlosigkeit ist es, die uns, so meine Deutung, im Bild vom ertrunkenen Jungen am Strand am meisten schachmatt setzt. Eine Deutung, die ich vergleichsweise guten Gewissens über die Lippen bringe, weil meine inneren Bilder dies abnicken und ich selbst dadurch ein Stück weiter an mich selbst herankomme, ohne dass ich mich unbehaglich fühle in einer Deutungsrüstung von der Stange, die zwickt und zwackt.Hilf- und Wehrlosigkeit hat ja etwas von Loslassen, aber hier ist der richtige Zeitpunkt für Angst schon verpasst, liegt hinter einem. Man hört noch das leise Klickern der Steine in den Wellen aber das wars.
Will ich die eine Deutung durch eine andere, angemessenere ablösen, wirds die Vernuft allein nicht richten, es braucht andere, treffendere Bilder und Vorstellungen, um Vor-Urteile sich buchstäblich in
„in Luft auflösen“ zu lassen. Das tun sie nämlich, auch unverzüglich. Der Rassismus der Hautfarbe verblasst just in dem Moment, in dem mein Leben vom Charakter des Betreffenden abhängt. Nein, nicht der so gern zelebrierte zähe Kampf gegen das Vorurteil, sondern das angemessenere Urteil macht das Vor-Urteil überflüssig.
Bis dahin jagt uns die Deutung von einer Schreckensvision in die andere, herrschen Gerüchte und Bilder, fegen Shitstorms über die Szenerie. Sie standen schon vor den Häusern, bereit zum Progrom, zum Steinwurf, herbeigerufen von den Medien, die wir die „sozialen“ nennen.
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