Dienstag, 13. Januar 2015
Dienstag, 13. Januar 2015
Gesetz und Freiheit.
Der Freiheit kann man sich nicht nur über Kombinationen und Unberechenbarkeit nähern, wie ich das kürzlich hier getan habe, sondern auch von Seiten des Gesetzes. Gesetze sind unvermeidlich, Freiheit zu bewahren aber auch unvermeidlich unwirksam, dieweil sie zur Umgehung verleiten. Wirtschaftliches Handeln steht genauso in diesem Spannungsverhältnis.

Freiheit ist durch erlebte, erlittene Unfreiheit erst zu erobern und zu erfahren. Das Eroberte wird erst als Schutz erfahren, durch Gesetze gesichert, dann aber zunehmend als Unfreiheit erfahren. Der Tanz zwischen Gesetz und Freiheit geht von vorn los. Wir haben ein Wort dafür: Werte. Unter "Werte" findet man zuerst das, wofür man sich positiv entscheidet, bevor man schliesslich unsanft auf den harten Kern der Gebote und des kulturellen Kanon stösst, der sich darunter verbirgt.

Sodann schält sich die Persönlichkeit der Befreier und Befreiten aus der Masse der Opfer und Objekte heraus und zwar in ihrer Widerspruchsbereitschaft aber auch Widersprüchlichkeit also in ihrem persönlichen Charakter. Freiheit ist ja nicht einfach das Wegbrechen und Einreissen von Zäunen, sondern der Raum, der sich eröffnet. Ich kann jetzt verschiedene Richtungen einschlagen, kann und muss mich also entscheiden, da meine Kräfte nicht mehr durch den Widerstand gebunden werden,

Aus den Exodus-Mythos, folgt man der ZEIT vom 30.12.14, treten einem solche Charaktere entgegen. Der dort zitierte Micha Brumlik weist darauf hin, dass aus dem erstrittenen Monotheismus das Widerstandspotenzial gegen das Gewaltmonopol erwächst. Ein "Bund" tritt an die Stelle des Gottkönigtums, der Bund Gottes mit den Menschen aber auch der Bund der Menschen untereinander in Gestalt der Gesetze, unter anderen jene, die Mose vom Berge mitbrachte.

Mit Gesetzen hat es besonders das Judentum ja bis heute. Gesetze, wie sie uns aus dem Alten Testament und den Muslimen aus dem Koran wohlbekannt sind, Gesetze aber, die durch die Not der Verfolgung im Nacken und die Auswegslosigkeit vor Augen eine Unbedingtheit und Dringlichkeit erlangten, die Juden von den andern Völkern und Religionen unterschied. Bis heute. Bis heute ist der Exodus der Juden, das "gelobte Landes" vor Augen, Synonym und Sinnstiftung für die Menschheit. Auch die christliche Kultur ist längst nicht "aus dem Schneider" der Freiheit und der Gesetze.
Gesetze und Vorschriften haben die Eigenschaft sich zu vermehren, nicht nur Murphys Gesetz. Wie die Köpfe der Hydra wachsen neue Vorschriften, Gebote und damit Rituale und Stigmata immer neu nach.

Halbernst in der Befolgung, "irgendwas muss einen ja unterscheiden von den andern" einerseits, Beschränkung und Gefangenschaft andererseits werden als ambivalente Halbschatten zu ständigen Begleitern. Das Gesetz wird erlebt als Irgendwie-nicht-Rauskommen aus den verschiedenen Abhängigkeiten und Zwängen. Letztendlich haben wir es wieder mehr mit dem Gesetz als mit der Freiheit zu tun.

Während ich mich um der Gesellschaft willen an Gesetze halten muss, stehe ich als Person eines Tages unweigerlich vor der Frage: Buchstaben des Gesetzes oder Freiheit in Sinn und Geist. Ein bisschen Gesetz geht nicht. Aber ohne Exodus geht es auch nicht. Es reicht nicht in das gelobte Land der vollständigen Freiheit zu spähen. Ins Freie führen nur Schritte. Übrigens auch die Freiheit etwas zu "unternehmen": Meine Möglichkeiten zu entdecken und überhaupt Möglichkeiten zu entdecken. Dann wird auch die unternehmerische Freiheit mehr als Alibi, Lücken zu finden, sondern macht den humanen Kern der Befreiung offenbar.

... link